Würde, Freiheit und Toleranz

Jugendhilfe braucht endlich einen gemeinsamen ethischen Ansatz für alle Akteure, unabhängig von ihrem religiösen oder weltanschaulichen Hintergrund. Davon ist der promovierte evangelische Theologe und Diplom-Sozialarbeiter Klaus Graf überzeugt.  Der 57-Jährige arbeitet seit vielen Jahren als Geschäftsführer mehrerer Jugendhilfen der Evangelischen Axenfeld Gesellschaft Bonn und hat gerade ein Buch genau zu diesem Thema herausgegeben. Kinder- und […]

Jugendhilfe braucht endlich einen gemeinsamen ethischen Ansatz für alle Akteure, unabhängig von ihrem religiösen oder weltanschaulichen Hintergrund. Davon ist der promovierte evangelische Theologe und Diplom-Sozialarbeiter Klaus Graf überzeugt. 

Der 57-Jährige arbeitet seit vielen Jahren als Geschäftsführer mehrerer Jugendhilfen der Evangelischen Axenfeld Gesellschaft Bonn und hat gerade ein Buch genau zu diesem Thema herausgegeben. Kinder- und Jugendhilfe – heute zu einer sozialstaatlichen Leistung geworden – sei ohne christliche Impulse und Initiativen nicht denkbar, argumentiert Graf. „Das scheint mir auch in christlicher Perspektive unbedingt vertretbar zu sein. Denken Sie nur an die Geschichte vom barmherzigen Samariter.“

Beim Helfen komme es nicht darauf an, den vermeintlich richtigen Glauben zu besitzen, sondern schlicht aus Mitgefühl und Mitmenschlichkeit zu handeln. „Ich zeige im Buch allerdings auf, was Würde, Freiheit und Gerechtigkeit in spezifisch christlicher Perspektive bedeuten“, erläutert Graf, der über Jahre Vorsitzender des Evangelischen Fachverbandes für Erzieherische Hilfen in der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe war.

Das Aufwachsen von Kindern habe sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Vieles, was früher ausschließlich in der Familie oder auf der Straße stattgefunden habe, sei heute in Institutionen verlagert. „Eltern und Sorgeberechtigte nehmen immer häufiger Beratungsstellen in Anspruch. Die große Mehrzahl der Bevölkerung kommt heute irgendwann mit der Jugendhilfe in Berührung“, so Graf. Deshalb trage sie immer mehr Verantwortung für die außerschulische Erziehung junger Menschen.

Kinder haben eine eigene Würde

Noch nie sei es Kindern und Jugendlichen materiell so gut wie heute gegangen. „Allerdings erleben wir ein immer stärkeres Auseinanderdriften von Arm und Reich.“ Junge Menschen quer durch alle Schichten litten an Depression, Vernachlässigung und Sucht. „Diesen Fehlentwicklungen kann ursächlich nur auf der Ebene der Bundes- und Landespolitik begegnet werden. Insbesondere benötigen wir endlich eine eigenständige Jugendpolitik, die nicht nur so etwas wie Krisen- oder Problembewältigung ist.“ Deshalb schlage er die Bildung von Ethikkommissionen vor. Fachleute und Vertreter unterschiedlicher Organisationen und Kirchen müssten alternative Lösungsansätze erarbeiten.

Und welche ethischen Werte können helfen? „Wir müssen sie nicht erfinden. Es gibt sie: die Würde, die Freiheit und die Gerechtigkeit sowie, zunehmend wichtig in einer multikulturellen Gesellschaft, die Toleranz. Diese Werte müssen wir immer wieder neu für die einzelnen Bereiche unserer Gesellschaft plausibel machen.“

Er frage also in seinem Buch: Was bedeutet es, dass Kinder ihre eigene Würde besitzen? „Wie können wir unsere Kinder zu größtmöglicher Autonomie und nicht zu größtmöglicher gesellschaftlicher Anpassung erziehen? Wie können wir möglichst Ungleichheiten ausgleichen? Wie können wir eine tolerante Haltung entwickeln, die mehr ist als ein bloßes Dulden von Anderssein?“

Klaus Graf, Ethik der Kinder- und Jugendhilfe. Grundlagen und Konkretionen, Kohlhammer Verlag 2014, 29,99 Euro

 

ekir.de / Ebba Hagenberg-Miliu / Evangelische Kirche im Rheinland – Ekir.de / 13.11.2014

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