Präses Schneider: Schwere Entscheidung mit großer Tragweite

Die Zentrale des Evangelischen Entwicklungsdienstes (eed) wird von Bonn nach Berlin umziehen. In der Bonner Kirchenzeitung PROtestant erläutert Präses Nikolaus Schneider, zugleich Aufsichtsratsvorsitzender des eed, die Hintergründe. PRO: Bonn ist das bundesweite Zentrum für Entwicklungspolitik. Warum geht der Evangelische Entwicklungsdienst nach Berlin? Schneider: Bonn ist sicherlich ein ganz hervorragender entwicklungspolitischer Standort. Deshalb geht der Evangelische […]

Die Zentrale des Evangelischen Entwicklungsdienstes (eed) wird von Bonn nach Berlin umziehen. In der Bonner Kirchenzeitung PROtestant erläutert Präses Nikolaus Schneider, zugleich Aufsichtsratsvorsitzender des eed, die Hintergründe.

PRO: Bonn ist das bundesweite Zentrum für Entwicklungspolitik. Warum geht der Evangelische Entwicklungsdienst nach Berlin?

Schneider: Bonn ist sicherlich ein ganz hervorragender entwicklungspolitischer Standort. Deshalb geht der Evangelische Entwicklungsdienst (eed) auch nicht aus freien Stücken oder aus einer Laune heraus nach Berlin. Der geplante neue Dienstsitz Berlin ist das Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem Diakonischen Werk der EKD als Träger von „Brot für die Welt“ und dem eed. Es ging letztlich um die Frage, ob die Fusion an der Frage des Standortes scheitern darf. Und genau das kann ich nicht verantworten. Denn die Zusammenführung von „Brot für die Welt“ und eed, der beiden großen entwicklungspolitischen Werke der Landeskirchen der EKD und der mit uns verbundenen Freikirchen, ist ein Schritt von großer entwicklungspolitischer Tragweite. Damit geht ein zehnjähriger Verhandlungsprozess, der schon mehrere Male zu scheitern drohte, einem glücklichen Ende entgegen. Wir haben heute die einmalige Chance, diesen Zusammenschluss zu vollziehen. Und diese Möglichkeiten müssen wir nutzen.

PRO: Warum war eine Fusion am Bonner Standort nicht durchsetzbar?

Schneider: Für unseren Verhandlungspartner Diakonisches Werk der EKD war der Standort Berlin nicht verhandelbar. Dies wurde von Anfang an und während aller Gespräche immer wieder deutlich gemacht. Das Diakonische Werk konnte dafür auch plausible Gründe geltend machen: Das Diakonische Werk ist einschließlich „Brot für die Welt“ eine große organisatorische Einheit. Das Herausbrechen eines wichtigen Teiles wäre mit erheblichen Mehrkosten für die Diakonie verbunden. Darüber hinaus ist es bei den Verhandlungen zweier Partner nicht ungewöhnlich, dass man sich auf einen dritten, neuen Standort zur gemeinsamen Fortführung der Arbeit verständigt.

PRO: Misereor sitzt in Aachen, Caritas in Freiburg. Gibt es einen inhaltlichen Vorteil für Berlin außer dass die Diakonie dort gerne residieren möchte?

Schneider: Es ist natürlich von Vorteil, an einem Standort zu residieren, an dem die wesentlichen politischen Gespräche geführt und Entscheidungen vollzogen werden. Das gilt natürlich ganz besonders für den Spitzenverband der EKD auf Bundesebene. Für den eed ist diese Frage nicht ausschlaggebend, gleichwohl ist auch zu bedenken, dass der politische Kopf des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Berlin sitzt.

 

 

 

PRO: Was spricht gegen die Möglichkeit – wie bei den Bundesministerien mit Erfolg praktiziert – in einer Organisation an zwei Standorten zu arbeiten: „Brot für die Welt“ und Katastrophenhilfe in Berlin, der eed in Bonn?

Schneider: Die zwei Standorte-Option wurde bei unseren Gesprächen sehr wohl ausführlich diskutiert, am Ende aber verworfen: Es sollen zwei große Werke mit unterschiedlichen Kulturen zusammengeführt werden. Dazu ist es notwendig, dass die Mitarbeitenden im unmittelbaren Austausch zueinander stehen. Nur so ergibt sich die Möglichkeit, eine neue gemeinsame Unternehmenskultur herauszubilden. Zudem ist eine Zwei-Standort-Lösung mit nicht unerheblichen Mehrkosten verbunden: Die Grundkosten für ein Gebäude sind vorzuhalten, die Pflege der internen Kommunikation zwischen beiden Standorten ist mit erheblichen Reisekosten verbunden. Aus diesen Gründen kam diese Option nicht zum Zuge.

PRO: Sie sprechen hier bislang als Aufsichtsratsvorsitzender des eed. Bonn liegt zugleich aber im Herzen der Rheinischen Landeskirche. Was sagen Sie als Präses dieser Landeskirche zu der Entscheidung?

Schneider: Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland ist unglücklich über den Wegzug des eed aus Bonn. Das ist natürlich nicht in unserem Interesse. Andererseits kann der Präses sich nicht der Einsicht verschließen, dass durch die Zusammenführung dieser beiden großen Werke sich neue entwicklungspolitische Optionen ergeben, vor allem aber die entwicklungspolitische Arbeit der evangelischen Kirche langfristig gesichert wird. Deshalb sagt der rheinische Präses: Diese neuen Möglichkeiten und diese Zukunftssicherung ist für das Rheinland von so großer Bedeutung, dass wir es auch ertragen können, wenn der Standort verlegt wird. Das Rheinland hat schon immer über seine Grenzen hinaus gedacht.

PRO: Sie haben im Vorfeld der Entscheidung mit der Bonner Oberbürgermeisterin gesprochen. Sie hat kein Verständnis gezeigt. Sehen Sie noch Möglichkeit, die Entscheidung in die Bonner Politik hinein zu erklären? Gibt es noch Vorstöße Ihrerseits in diese Richtung?

Schneider: Ich gehe nicht davon aus, dass ich die Bonner Politik zu einer Zustimmung für diese Entscheidung bewegen kann. Ich hoffe allerdings, dass bei unvoreingenommener Kenntnisnahme der Gründe für die Entscheidung des Aufsichtsrates des eed unser Weg nachvollziehbar wird. Das Gespräch mit Ihnen und die Bereitschaft zum Gespräch mit weiteren Medienvertretern sollen dem helfen. Auch mit den Landespolitikern werden weitere Gespräche folgen.

 

 

PRO: Viele Mitarbeitenden sind vor sieben Jahren erst in den neu gegründeten eed nach Bonn gekommen und müssen nun schon wieder umziehen. Haben Sie Verständnis für den zum Teil sehr großen Unmut, jetzt wieder die Koffer packen zu müssen?

Schneider: Für den Unmut der Mitarbeiterschaft habe ich großes Verständnis. Wir muten gerade denjenigen sehr viel zu, die schon einmal die Koffer haben packen mussten, um von Stuttgart, Hamburg oder Bochum aus nach Bonn zu ziehen. Wir werden uns aber auch sehr anstrengen, um diesen Mitarbeitenden die uns möglichen Hilfestellungen zu geben, mit dieser Situation zurecht zu kommen. Das bedeutet zum einen, dass wir möglichst viele Mitarbeitende gewinnen möchten, mit uns nach Berlin zu gehen. Das bedeutet zum anderen, dass wir auch bei der Vermittlung von neuen Arbeitsplätzen in der Region Bonn behilflich sein wollen. Und das scheint mir auch möglich zu sein, denn die Region Bonn wächst. Schließlich haben wir uns eine ungewöhnlich lange Übergangszeit zugemutet: Die örtliche Veränderung wird erst im Jahre 2012, wahrscheinlich sogar erst 2013 anstehen. Dieser lange Zeitraum sollte es ermöglichen, dass es nicht zu sozialen Verwerfungen kommt.

PRO: Viele der mehr als 200 Mitarbeitenden fühlten sich nicht ausreichend informiert. War das so?

Schneider: Diese Klage aus der Mitarbeiterschaft ist mir nur zum Teil verständlich. Denn allen war bekannt, dass die EKD-Synode vor zehn Jahren das Zusammengehen aller entwicklungspolitischen Aktivitäten der Gliedkirchen der EKD vorgegeben hatte. Es war auch bekannt, dass dazu seit langer Zeit intensive Gespräche geführt werden. Um Verständnis bitte ich aber dafür, dass die Verhandlungen zwischen Vorständen zunächst sehr vertraulich geführt werden müssen. Das galt insbesondere für die „verminte“ Gesprächslage zwischen dem Diakonischen Werk und dem eed. Vorstand und Aufsichtsrat sind entschlossen, alle weiteren Schritte in großer Transparenz und mit der Bitte um die Kooperation mit der Mitarbeitervertretung und allen Mitarbeitenden zu gehen.

PRO: Erwarten Sie weiteren Widerstand aus der Mitarbeiterschaft und wenn ja, wie wollen Sie damit umgehen?

Schneider: Ich gehe davon aus, dass die guten Gründe für das Zusammengehen von Brot für die Welt und dem eed sich auf Dauer durchsetzen werden. Denn schließlich geht es ja nicht darum, Organisationsstrukturen aufrecht zu erhalten. Sondern es muss allen darum gehen, für die Menschen, denen die entwicklungspolitischen Anstrengungen der evangelischen Kirchen zugute kommen sollen, eine möglichst effiziente und effektive Arbeit vorzuhalten.

PRO: In der Wirtschaft heißt Fusion in der Regel Stellenabbau. Beim eed auch?

Schneider: Diese Fusion ist nicht unter dem Gesichtspunkt Stellenabbau organisiert. Kurzfristig wird es keinen Stellenabbau geben. Ich will aber nicht ausschließen, dass nach einer längeren Frist auch Stelleneinsparungen möglich werden. Wenn das dadurch frei werdende Geld unseren Empfängerinnen und Empfängern zugute kommt, so würde ich auch das begrüßen.

PRO: Haben Sie Angst, dass der eed wichtige Mitarbeiter durch den Umzug verliert?

Schneider: Ja, diese Sorge habe ich durchaus. Denn es wird wichtige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben, die so an den Standort Bonn gebunden sind, dass sie nicht nach Berlin mitgehen können.

PRO: Es gibt Stimmen, die sagen: „Brot für die Welt“ schluckt den eed? Wie soll die fusionierte Organisation denn künftig heißen?

Schneider: Diese Stimmen liegen völlig daneben. „Brot für die Welt“ schluckt den eed keinesfalls. Das neue Werk wird vermutlich den Titel „Evangelisches Zentrum für Entwicklung und Diakonie“ tragen. Die beiden Werke werden aber gegenüber der Öffentlichkeit und ihren Partnern gegenüber mit den beiden Namen auftreten: „Brot für die Welt – Der evangelische Entwicklungsdienst“ und „Diakonie Deutschland  – Der Bundesverband“.

PRO: Bonn bleibt auch ohne den eed das bundesweite Zentrum für Entwicklungsarbeit sowie die Vereinten Nationen. Frieden, Gerechtigkeit und Globalisierung gestalten sind zentrale Themen der Kirche. Wird die Evangelische Kirche an diesem Standort künftig präsent sein?

Schneider: Natürlich wird die Evangelische Kirche weiter in Bonn präsent sein. Ich darf darauf hinweisen, dass die Evangelische Kirche im Rheinland ihre Akademie nach Bonn verlegt hat. Ferner ist damit zu rechnen, dass auch die EKD ihre friedenspolitischen Aktivitäten in Bonn zukünftig bündeln wird.
Joachim Gerhardt

 
 

 

 

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