Eindrücke aus Abgeordneten-Sicht

Die Landessynode bestimmt den Kurs der Evangelischen Kirche im Rheinland. Sechs Vertreterinnen und Vertreter sind aus dem Kirchenkreis Bad Godesberg-Voreifel dabei. Lesen Sie hier ihre persönlichen Eindrücke und Einschätzungen. Der Kirchenkreis Bad Godesberg-Voreifel ist in Bad Neuenahr vertreten durch Superintendent Dr. Eberhard Kenntner (Kirchengemeinde Rheinbach), Pfarrer Siegfried Eckert (Thomas-Kirchengemeinde Bad Godesberg), Jutta Mack (Heiland-Kirchengemeinde Bad Godesberg), Marcus Lochte […]

Die Landessynode bestimmt den Kurs der Evangelischen Kirche im Rheinland. Sechs Vertreterinnen und Vertreter sind aus dem Kirchenkreis Bad Godesberg-Voreifel dabei. Lesen Sie hier ihre persönlichen Eindrücke und Einschätzungen.

Der Kirchenkreis Bad Godesberg-Voreifel ist in Bad Neuenahr vertreten durch Superintendent Dr. Eberhard Kenntner (Kirchengemeinde Rheinbach), Pfarrer Siegfried Eckert (Thomas-Kirchengemeinde Bad Godesberg), Jutta Mack (Heiland-Kirchengemeinde Bad Godesberg), Marcus Lochte (Thomas-Kirchengemeinde Bad Godesberg) sowie die berufenen Synodalen Pfarrerin Dagmar Müller (Frauenhilfe Bad Godesberg) und Norman Rentrop (Bad Godesberg) bzw. seine Vertreterin Ebba Hagenberg-Miliu (Bad Godesberg). Außerdem aus der Region: Dr. Wolfgang Osterhage (Wachtberg), stellvertretendes Mitglied der Kirchenleitung und Mitglied im landeskirchlichen Lenkungsausschuss für das NKF (Neues Kirchliches Finanzwesen). Hier lesen Sie die persönlichen Bilanzen und Eindrücke der Abgeordneten.

Die Synode tagt dieses Jahr vom 16. bis 21. Januar. Das Kirchenparlament der rheinischen Kirche versammelt sich stets im Januar in Bad Neuenahr.

Dr. Wolfgang Osterhage, Prädikant aus Wachtberg, Physiker und Universitätsdozent:

„Bei dieser Synode war ich zum ersten Mal als Gast geladen. Das hat mir eine neue Perspektive gegeben, da ich die Verhandlungen nun aus einer entspannten Lage heraus beobachten konnte. Ich habe zwei Anmerkungen:

1. Durch die Nicht-Besetzung der Leitung von Abteilung II (ehemals Bosse-Huber) und die Wahl von Herrn Pistorius zum Vize-Präses hat die Synode eindeutige Zeichen gesetzt, dass sie eine Weichenstellung in eine Zukunft will, die sich signifikant von der Linie bis Anfang 2013 unterscheidet.

2. Ich wünsche mir, dass bei zukünftigen Synoden die langatmigen Einführungen in einen Verhandlungsgegenstand gekürzt werden, da ja alles in Papierform bereits vorliegt, und insbesondere die Fragesteller von ermüdenden Co-Referaten absehen, bei denen es sich meistens ohnehin nur um Wiederholungen der Aussagen von Vorrednern handelt.“

Dr. Ebba Hagenberg-Miliu, Journalistin aus Bad Godesberg:

„Was ich von der diesjährigen Landessynode mitnehme? Auf jeden Fall die Gewissheit, dass die Kirche sich, etwa was die Schrift und die Diskussion zum Thema „Niemand nimmt sich gern das Leben – Theologische Orientierung zum Suizid“ betrifft, auf dem für mich richtigen Weg befindet. Ich kann dieses hervorragende Papier wie auch das in vielen Bereichen zum Thema Bewahrung der Schöpfung, Flüchtlingshilfe sowie Frieden Erarbeitete nur jedem ans Herz legen.

Ich nehme aber von dieser Synode auch ungute Gefühle mit. Einerseits wurden mindestens 19 Millionen Euro Verwaltungsmehrausgaben als „alternativlos“ durchgewunken. Andererseits lagen „Aufgabenkritik“ genannte dicke Vorlagen auf dem Tisch. Die sich als reine Streichlisten entpuppten. Die „Kandidaten“ waren auf den Euro primär auf ihre Wirtschaftlichkeit geprüft worden. Dass der Blick auf die Zahlen zumindest nicht der wichtigste sein möge, das wurde immerhin am Ende in zähem Ringen erreicht.

Befremdlich erscheint es mir an den aktuellen Plänen, dass überproportional die kirchliche Kernaufgabe Bildung in Gefahr steht, bluten zu müssen. Um auf unsere lokalen „Kandidaten“ zu kommen: Ich war stolz, dass Schüler des Amos-Comenius-Gymnasiums in Bad Neuenahr Flagge für evangelische Schulen zeigten und damit, wie ich meine, für die Zukunft der Kirche.

Auch das Thema Haus der Begegnung, das verschoben werden könnte, eben weil sich die Immobilie wohl gut verkaufen ließe, ist für mich nicht erledigt. Es ginge zum Beispiel an die Existenz der Evangelischen Akademie, wenn sie innerhalb weniger Jahre zweimal in anderen Städten neu anfangen müsste. Als Zukunftswerkstatt der Landeskirche, als Ort, wo Kirche ihre Aufgabe des Austauschs mit der Gesellschaft wirklich wahrnimmt, müsste sie uns doch mehr wert sein als eine Schachfigur.“

Siegfried Eckert, Pfarrer in Bad Godesberg:

„Und die Synode dreht sich doch!

Es war eine bewegende, eine richtungweisende Synode. Den Auftakt machte der Bericht des neuen Präses Manfred Rekowski. Darin verzichtete er auf eine Art Jahresbericht aus dem Landeskirchenamt, sondern setzte er sehr eigene, selbstkritische Akzente. Eine Wohltat nach Jahren des Stillstandes und einer sehr begrenzten Selbstreflexion. Rekowski fordert mehr theologische Koordinaten ein für unser kirchliches Handeln. Er ist auf keinem Auge blind. Das Flüchtlingselend liegt ihm am Herzen und eine glaubwürdige Kirche auch. Er übertreibt nicht mit politischen Parolen und gibt keine leeren Versprechen ab. Er ist parteilich, aber hält Maß und Mitte. Mir erging es nach dem Präsesbericht so, dass „ich noch nie so sehr Präses war wie heute!“.

Es tat der Synode auch gut, fernab der geübten Regularien in Arbeitsgruppen den Sparprozess „Aufgabenkritik“ zu beraten. Mühsame Vorarbeiten kamen zu einem einmütigen Ende. Mit großer Nachdenklichkeit würde über die seelsorgerische Begleitung von Menschen nachgedacht, die aus Alters- oder Gesundheitsgründen einen Suizid beabsichtigen. Prophetisch ging es zur Sache als ein Glaubenszeugnis verabschiedet wurde unter der Überschrift „Wirtschaften für das Leben“. Persönlich war ich erleichtert, dass mein Initiativantrag „Zeit fürs Wesentliche – Geld fürs Wesentliche“ in seinem Grundanliegen im Beschluss zur Haushaltskonsolidierung aufgenommen wurde. Die Hoffnung wächst, dass wir weniger „Kirchemalen nach Zahlen“ machen und stärker die kirchlichen Kollateralschäden und Nebenwirkungen unserer Sparbeschlüsse Berücksichtigung finden.

Die Synode hatte einen guten Riecher bewiesen, als sie Oberkirchenrat Pistorius zum Vizepräses wählte und die Stelle der ehemaligen Oberkirchenrätin Petra Bosse-Huber frühestens 2015 wieder besetzen wird, wenn nicht bis dahin die Welt im Düsseldorfer Landeskirchenamt ganz anders aussehen wird? Ecclesia semper reformanda!

Es war eine anstrengende, aber unterm Strich gute Synode. Das vor uns liegende Jahr wird entscheiden, welcher Herzschlag unsere Landeskirche bestimmt und welche wahren Werte unsere Entscheidungen prägen werden.“

Jutta Mack, Dolmetscherin und Presbyterin aus Bad Godesberg:

„Theologischen Themen wurde endlich wieder genügend Zeit eingeräumt. Die Kirche soll nicht mehr über ihre Verhältnisse leben – der Haushalt wird schrittweise saniert durch einschneidende Maßnahmen, die auch die Kirchenleitung nicht verschonen. Und doch stellen wir eine halbe Million Euro zur Flüchtlingshilfe bereit: Vor Ort in Kriegsgebieten und zur Aufnahme bei uns. ‚Was du einem meiner geringsten Brüder getan hast, das hast du mir getan …‘.“

Marcus Lochte, Jurist aus Bad Godesberg, stellvertretendes Mitglied im Kreissynodalvorstand:

„Die Landessynode war getragen von einem Hoffnung gebenden Präsesbericht, Haushaltskonsolidierung und vielen gesetzlichen Änderungen sowie Positionspapieren. Aufgaben, die die Landessynode mit neuem Mut und großem Engagement bis in die Nächte hinein bewältigte. Die persönliche Berichterstattung Rekowskis nahm die künftigen Herausforderungen unserer Kirche auf und machte aus meiner Sicht deutlich, dass der Umbruch in der EKiR, der letztes Jahr mit neuen Personalentscheidungen begann, auch wirklich fortgesetzt wird. Die Kultur der Offenheit und das Bemühen doch alle zu erreichen und zu informieren, gab mir Hoffnung für die nächste Synode.

Deutlich ist, dass die EKIR belastet ist mit vielen Reformvorhaben, die die alte Kirchenleitung noch auf den Weg gebracht hat, aber die Verwaltung nachhaltig überfordert. Beispielhaft nenne ich Verwaltungsstrukturreform und das Neue Kirchliche Finanzwesen (NKF). Vor allem NKF kostet nicht nur viel (schon jetzt liegen wir bei über 20 Millionen Euro), sondern belastet die Mitarbeiter unserer Verwaltungen vor Ort erheblich, weil NKF erst im laufenden Umstellungsprozess fertig gestellt wird. Dies führt bei vielen zu deutlichen Überlastungen, die aus meiner Sicht vermeidbar gewesen wären. Als Mitglied des Finanzausschusses und einer der Arbeitsgruppen, die Sparmaßnahmen vorbereiten musste, konnte ich feststellen, dass diesen Prozess der Haushaltskonsolidierung viele konstruktiv begleiten konnten. Das Landeskirchenamt war hier nicht mehr allein federführend und vorgebend. Eine durchaus positive Veränderung.

Ich würde es sehr begrüßen, wenn mit Blick auf die Landessynode 2015 weitere Entwicklungen zu den anstehenden Sparmaßnahmen den Betroffenen und den Landessynodalen schon früh bekannt gemacht und diese bei der öffentlichen Berichterstattung auch vollständig und richtig gespiegelt werden.“

Dr. Eberhard Kenntner, Superintendent und Pfarrer in Rheinbach:

„Es war für mich die theologisch bedeutsamste meiner 13 ordentlichen und drei Sonder-Landessynoden. Präses Rekowski gab einen Bericht, der keine Aufzählung von Geschehnissen war, sondern ein ansprechendes Bild von einer Kirche zeichnete, deren Charakteristikum der Wandel ist (ecclesia semper reformanda) und die darum keine Angst vor tiefgreifender Veränderung haben muss.

Die jetzt bestehenden Einrichtungen und Arbeitsfelder der EKiR stammen noch aus einer Zeit, in der unsere Kirche eine halbe Million Mitglieder mehr hatte. Dass da gekürzt werden muss, liegt auf der Hand. Dass die Sparvorschläge aus den Abteilungen des Landeskirchenamtes kamen und mit den Mitarbeitenden abgesprochen waren, machte die Entscheidung leichter. Dass die Synode gleichzeitig 500.000 Euro für Flüchtlingsarbeit zur Verfügung stellte, wies auch auf das Ziel der aktuellen Sparbemühungen: Wieder handlungsfähig zu werden, „Kirche für andere“ zu sein.

Stand die letzte Synode noch unter dem lähmenden Eindruck der bbz-Krise und der Handlungsunfähigkeit der damaligen Kirchenleitung, wurden diesmal schon erste Lehren gezogen: Dem Präses wird künftig die Verhandlungsleitung entzogen werden können, amtierende Kirchenleitungsmitglieder können auch während der laufenden Wahlperiode abgewählt werden, die Verflechtungen zwischen Landeskirchenamt und Kirchenleitung werden sauber getrennt, Aufsicht und Leitung durch die Synode klar strukturiert.

Dass ein neuer Geist weht, zeigten auch die Wahlen: Eine kleiner werdende Kirche braucht auch weniger Leitung, also wurde die Stelle der Leitung der Abteilung II, die bisher Frau Bosse-Huber innehatte, die zur EKD gewechselt ist, nicht wieder besetzt. Somit ist Zeit gewonnen, neue Strukturen zu planen. Und die Wahl von Oberkirchenrat (OKR) Pistorius, der erst ein Jahr OKR ist, zum Vizepräses zeigt, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man als Frau oder als Dienstältester in der Kirchenleitung automatisch weiterbefördert wurde.

Dass die Synode ausreichend Zeit hatte, gewichtige theologische Themen zu behandeln wie die Seelsorge an Menschen, die im Alter oder angesichts unheilbarer Erkrankung einen Suizid wünschen, sich Gedanken zu machen über das Wesen und die künftigen Aufgaben des Pfarrdienstes, klare Position zu beziehen in wirtschaftsethischen Fragen („Wirtschaften für das Leben“) und angemessen die Konsequenzen aus dem vorgelegten Jugendbericht zu diskutieren zeigt, dass die Befürchtungen unbegründet sind, die Strukturfragen könnten unsere Kirche zu einer theologiefreien Zone machen.

Ich bin von meiner letzten Landessynode natürlich mit ein wenig Wehmut nach Hause gefahren, vor allem aber mit großer Dankbarkeit; ich habe einen Neuaufbruch unserer Kirche miterleben und –gestalten dürfen.“

 
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22.01.2014

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