„Da wird sich um die Seele gesorgt“

Unter diesem Titel hat die INSIDE-Redaktion, die „Knast-Zeitung“ in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rheinbach, mit Heike Rödder ein Interview geführt. Die Pfarrerin arbeitet dort seit 2001 als Seelsorgerin. INSIDE: Guten Tag, Frau Pfarrerin Rödder, vielleicht möchten Sie uns zuerst etwas über Ihren Werdegang erzählen und seit wann Sie in der JVA Rheinbach tätig sind? HEIKE RÖDDER: […]

Unter diesem Titel hat die INSIDE-Redaktion, die „Knast-Zeitung“ in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rheinbach, mit Heike Rödder ein Interview geführt. Die Pfarrerin arbeitet dort seit 2001 als Seelsorgerin.

INSIDE: Guten Tag, Frau Pfarrerin Rödder, vielleicht möchten Sie uns zuerst etwas über Ihren Werdegang erzählen und seit wann Sie in der JVA Rheinbach tätig sind?

HEIKE RÖDDER: Durch meinen Mentor bin ich während des Vikariates zur Arbeit mit Menschen mit geistiger Behinderung gekommen. Und mit 17 Jahren habe ich begonnen, mich bei Amnesty International zu engagieren. Nach meinem Studium absolvierte ich mein Vikariat in einer Gemeinde, die die Arbeit mit Menschen mit geistiger Behinderung zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht hatte. So kam es, dass ich nach meiner Probezeit als Pfarrerin zur Anstellung meine Stelle als Pastorin im Sonderdienst für die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen und Psychiatrieerfahrung angetreten habe. Dort arbeitete ich dreieinhalb Jahre und leitete gemeinsam mit einer Psychiaterin ein Psychoseseminar.
Danach bewarb ich mich für die Pfarrstelle in der JVA Rheinbach und bin nun seit dem 1. Juni 2001 als Pfarrerin und Seelsorgerin tätig.

INSIDE: Warum halten Sie Seelsorge im Gefängnis für wichtig?

HEIKE RÖDDER: Seelsorgerinnen und Seelsorger unterliegen der Schweigepflicht. Gerade in der Haft brauchen Menschen einen Ort, an dem sie alles sagen können, ohne dass es verwendet wird und ohne Besserungszwang. Dieser persönliche, seelische Bereich ist sehr sensibel und dort gehört so etwas nicht hinein. Es gilt einfach Menschen zu begleiten, ohne sie bessern zu wollen. Ich sehe hier meine Arbeit als deeskalierende Ergänzung zu der Arbeit der anderen Berufsgruppen hier im Gefängnis, die andere Aufgaben haben.
In den Gesprächen kommen die Menschen oft zu ihrer Schuld und dürfen nicht das Gefühl haben, sie werden verdammt. Zu der Schuldfrage gehört: „Gott spricht die Menschen gerecht und der Glaube ist ein Geschenk. Daraus entsteht das Vertrauen in Gott und das Leben. Die wichtigste Aussage Gottes an uns Menschen ist schließlich, dass wir alle seine Ebenbilder sind und von Gott bedingungslos geliebt werden. Ein wichtiges Beispiel ist hier für mich die Geschichte von Kain und Abel – nachdem Kain seinen Bruder getötet hatte und als heimatloser Flüchtling umherirrte, stand er unter Gottes persönlichem Schutz (Gen 4:15).

INSIDE: Welches ist das häufigste Problem, mit dem Sie als Seelsorgerin im Gefängnis zu tun haben?

HEIKE RÖDDER: Die Menschen hier wollen Gespräche, um ihr Leben zu erforschen. In diesen Situationen kommt es auch dazu, dass die Täter-Opfer-Frage aufgeworfen wird. Hier sollte es einen Raum im Gefängnis geben, um auch die Scham- und Schuldgefühle gegenüber den Opfern anzusprechen. Mir liegt viel an dieser Auseinandersetzung, an deren Ende, wenn sie gelingt, Versöhnung mit der eigenen Geschichte und unter Umständen sogar mit dem Opfer steht.

INSIDE: Was erwarten Sie von den Menschen, mit denen Sie hier zu tun haben?

HEIKE RÖDDER: Zuerst einmal sollten Kommunikationsregeln gelten. Gegenseitiger Respekt bildet eine tragfähige Basis. Für Einzelgespräche nehme ich eine Langzeitplanung vor, und sie laufen dadurch nach Kalender. Für diese Handhabung werbe ich um Verständnis, weil ich der Meinung bin, dadurch nachhaltiger mit dem einzelnen Menschen arbeiten zu können.

INSIDE: Was können Sie zu dem Stichwort Ökumene sagen?

HEIKE RÖDDER: Mir liegt die innerchristliche Ökumene sehr am Herzen. Gerade im Gefängnis treffe ich außerdem auf unterschiedliche Religionen, und so ist mir das interreligöse Gespräch sehr wichtig. Ich bemühe mich darum, dass Menschen aus anderen Religionen mit ihren Geistlichen in Kontakt kommen, z. B. beim muslimischen Freitagsgebet.

INSIDE: Neben diesen Einzelgesprächen betreuen Sie noch Gruppen?

HEIKE RÖDDER: Ja, einmal montags von 16 bis 17 Uhr findet die Gesprächsgruppe statt, donnerstags von 16 bis 17.30 Uhr die Gottesdienstvorbereitungsgruppe und mittwochs von 16 bis 17 Uhr der Kirchenchor.

Die Gesprächsgruppe am Montag orientiert sich an religiösen Wertediskussionen in Verbindung mit alltäglichen Problemen. Dadurch findet ein Austausch mit anderen Religionen und Kulturen statt. Das Verbindende unter den Religionen bringt das notwendige Verständnis im täglichen Umgang. Das soll hier gefördert werden. In der Vorbereitungsgruppe für die Gottesdienste werden die Inhalte der Predigt diskutiert und jeweils eine Person aus diesem Kreis soll einen Text ausarbeiten, der auch im Gottesdienst vorgetragen wird. Ob dieses Vorgehen möglich ist, hängt aber von der Zusammensetzung der Gruppe ab. In jedem Fall geht es aber lebendig zu und trägt seine Früchte bis in den Gottesdienst. Zum Kirchenchor muss man eine systembedingte Situation für U-Häftlinge ansprechen: Wer keine richterliche Genehmigung für die Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen hat, kann nicht in den Chor aufgenommen werden. Sonst ist natürlich jeder willkommen. Der Kirchenchor hat eine wichtige Aufgabe während des Gottesdienstes. Gott gemeinsam im Gesang zu lobpreisen, ist eine wunderbare Form der Ehrerbietung.

INSIDE: Vielen Dank für dieses Gespräch, Frau Pfarrerin Rödder. Die Redaktion wünscht Ihnen weiterhin die Kraft und den Erfolg für Ihre Tätigkeit hier im Hause.

Der Beitrag erschien im März 2006.

 

 

 
 

 

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