„Wissen, warum ich evangelisch bin.“

Das war ein bewegender Gemeindeabend am 30. Mai über das gerade erschienene Buch Joseph Ratzingers über Jesus von Nazareth in der Bad Godesberger Immanuelkirche. Mehr als 160 Zuhörerinnen und Zuhörer waren gekommen, … … um die Stellungnahme von Pfarrer Christian Werner zum Papst-Buch unter dem Stichwort „Die evangelischen Seiten des Papstes“ zu verfolgen.  Einige reisten […]

Das war ein bewegender Gemeindeabend am 30. Mai über das gerade erschienene Buch Joseph Ratzingers über Jesus von Nazareth in der Bad Godesberger Immanuelkirche. Mehr als 160 Zuhörerinnen und Zuhörer waren gekommen, …

… um die Stellungnahme von Pfarrer Christian Werner zum Papst-Buch unter dem Stichwort „Die evangelischen Seiten des Papstes“ zu verfolgen. 

Einige reisten nicht nur aus Bonn und Wachtberg, sondern sogar aus Erftstadt und Königswinter an, aber nicht nur Evangelische, sondern auch Katholiken füllten den Kirchsaal und verfolgten die engagierte Stellungnahme und sympathische Würdigung von Pfarrer Christian Werner, die sinnvoll unterbrochen wurde von auf der Orgel gespielten Choralbearbeitungen von Jesus-Liedern von Johann Sebastian Bach. Kantor Christoph Gießer setzte, wie Werner meinte, bewusst diese Akzente als evangelische Ergänzung zu dem als Mozart der Theologie bezeichneten Katholiken Joseph Ratzinger. Dafür dankte ihm das Publikum.

Noch nie habe er einen Abend zu einem Buch eines Papstes gestaltet, meinte Christian Werner. Öffentlich habe er von leitenden Geistlichen der katholischen wie der evangelischen Kirche noch keine ausführlichen Stellungnahmen dazu gehört. Und ob auf dem evangelischen Kirchentag in Köln (vom 06. bis 10.06.07) darauf eingegangen werde, darauf könne man gespannt sein.

Sehr bald nach seinem Erscheinen am 16. April 2007 habe Ratzingers Buch mit bisher mehr als 360.000 verkauften Exemplaren den 1. Platz der Sachbuch-Hitliste belegt. Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg“ wurde verdrängt. Nun sage Ratzinger, so Werner schmunzelnd, mit seinem Jesus-Buch: „Ich bin dann mal da.“

Christian Werner beschrieb deutlich die historische Einzigartigkeit, dass ein amtierender Papst ein fachwissenschaftliches Buch veröffentlicht habe, und dieses unter bürgerlichem Namen. Dass also das Geschriebene nicht als lehramtliche Äußerung aus Rom zu verstehen sei. Eine solche Offenheit des Denkens sei ein kaum zu überschätzendes, lang ersehntes ökumenisches Signal, ja Ratzinger zeige hier evangelische Seiten. Er komme seiner ureigenen Aufgabe nach: Der Bezeugung des Evangeliums von Jesus Christus. Für den Nachfolger Petri gebe es doch nichts Besseres zu tun. Das sei sein Kerngeschäft.
Wie hätte sich Martin Luther gefreut, wenn er zu seiner Zeit einen Papst gehabt hätte, der sich nicht hinter seiner Autorität und dem Lehramt versteckt, sondern etwas zum Diskutieren veröffentlicht hätte. Luther hätte gerne mitdiskutiert.

Für Werner ist das Ratzinger-Buch eine Ermutigung, um beunruhigende Bedeutungsverluste der Gestalt Jesu von Nazareth vor allem in der evangelischen Kirche zu kritisieren: „Wenn Jesus uns nur noch in allem bestätigt, wofür brauchen wir ihn dann noch?“ Deshalb käme es nicht von ungefähr, dass die Präsenz der Jesus-Gestalt in den unterschiedlichen Zusammenhängen des kirchlichen Lebens abnehme. „Der Jesus der Evangelien ist nicht bequem für uns. Zu ihm müssen wir uns wieder auf den Weg machen. Insofern ist Ratzinger für mich evangelischer als viele evangelische Theologinnen und Theologen unserer Zeit“, so Werner.

Die historisch-kritische Methode sei für Ratzinger aus theologischem Grund unverzichtbar, weil der Glaube selbst verlange, sich der historischen Nachfrage auszusetzen. Aber diese historische Analyse genüge nicht, sondern sei durch eine theologische Interpretation zu vertiefen. Deshalb wolle Ratzinger mit diesem Buch den Jesus der Evangelien als den historischen Jesus darstellen. Er traue den Evangelien und möchte deshalb den dramatischen Riss zwischen dem historischen Jesus und dem Christus des Glaubens heilen. Für ihn sei die Jesus-Darstellung der Evangelien stimmiger und zuverlässiger als die Rekonstruktion der historisch-kritischen Bibelauslegung. Deshalb bediene sich Ratzinger der kanonischen Bibelauslegung, wobei er vom Endtext eines biblischen Zeugnisses ausgehe und diesen Text auch im Gesamtzusammenhang der Bibel interpretiere. Ziel sei es, die Schrift in dem Geist zu verstehen, in dem sie geschrieben wurde. Auch diesen methodischen Zugang halte Werner für urevangelisch.

Natürlich wolle Ratzinger mit diesem Buch auch klarmachen, was Katholizismus bedeute. Zentraler Punkt dabei: die Eucharistie. Christian Werner nutzte die Gelegenheit, um die anwesenden Katholiken zu bitten, bei ihren Eucharistie-Feiern nicht nur die weltumspannende Gemeinschaft der Kirche Jesu Christi zu spüren, ein Einswerden mit allen, die die Eucharistie empfangen. Sondern Werner bat leidenschaftlich darum, gleichzeitig auch den großen Schmerz der Trennung zu empfinden. Denn er selber könne ja nicht dabei sein, um Christus nach katholischem Verständnis leibhaftig zu empfangen. Habe er also Christus nicht? Er versuche sich doch auch in der Nachfolge dieses Jesus. Er habe doch auch ein Verhältnis zu Christus, auch freundschaftlich liebevoll und auch innig im Gebet. Und auch er feiere das Heilige Abendmahl. Warum dann dieser Ausschluss? Das könne nicht in Ordnung sein.

Aber das Positive und Zustimmende überwog an diesem Abend.
Christian Werner führte aus dem weiteren Inhalt dieses Buches beispielhaft das vor, was Ratzinger zum Thema Taufe und zum Gleichnis vom barmherzigen Samariter ausführte. Ratzinger würde Jesus in ein immerwährendes Jetzt versetzen, so wie das gläubige Ich in Bachs Chorälen der Matthäus-Passion die Handlung der Evangelien als Zeitgenosse erlebe. Dies seien für ihn, so Werner, evangelische Seiten pur.

Trotz der großen Zuhörerschaft bat Werner um spontane Reaktionen aus dem Publikum. Dies wurde gerne aufgenommen.
Ein Teilnehmer freute sich, dass Ratzinger sich besonders auch auf evangelische Bibelausleger berufe. Leider seien diese aber nicht als evangelisch bezeichnet.
Ein anderer hinterfragte die Würde der oft unterschiedlich gestalteten evangelischen Abendmahlspraxis. Hier bestehe Nachholbedarf.
Eine weitere Teilnehmerin regte an, über aller Israel-Freundlichkeit Jesus nicht ganz entschwinden zu lassen. Werner bestätigte, dass es wohl die persönlichsten Stellen im Buch seien, wenn Ratzinger von der unlösbaren Verbundenheit des Christentums mit dem Judentum schreibe, und es darum gehe, Jesus vom Alten Testament her verstehen zu lernen. So komme er zu Aussagen wie: „Das Kreuz Jesu ist der brennende Dornbusch“. Jesus sei „das heilige Zelt“, „der Sabbat“, „die Tora“ selbst.

Christian Werner schloss den Abend mit einer persönlichen Jesus-Meditation. Er sehe in Ratzingers Buch eine Hilfe, den Schutt abzuräumen, „um die Gestalt Jesu wieder deutlicher vor uns zu stellen.“ Es zeige ihm, „was beständiger und haltbarer ist als unsere kurzatmigen Einfälle.“ Und so wandte er sich ans Publikum: „Mögen auch Sie den Weg annehmen, den Jesus Ihnen zeigt.“

Dieser evangelische Abend war eine im besten Sinne ökumenische Ermutigung, weil jede Konfession ihre Bedeutung bekam.
Ein Teilnehmer bemerkte beim Herausgehen: „Von solch einem Abend kann ich ein ganzes Jahr lang zehren, weil ich wieder weiß, warum ich evangelisch bin.“
Und eine Katholikin zeigte sich besonders dankbar und stolz für die Würdigung ihres Papstes Benedikt XVI.
Und ein dritter meinte: „Jetzt will ich dieses Buch unbedingt lesen.“
Viel Sympathie an diesem besonderen Abend.
Am Ende wurde Pfarrer Christian Werner gedankt, weil in ihm der Intellektuelle, der Theologe und der Prediger eine spürbar dynamische Synthese eingegangen seien.

Interessierte können eine Kassette (für 4 Euro) mit der Tonbandaufnahme dieses Abends erwerben. Bestellung im Büro der Immanuelkirche bei Frau Krieger, Telefon: 0228/321080, oder bei Pfarrer Christian Werner, Telefon: 0228/321926.

 

 

 
 

 

EB /

 

© 2015, Kirchenkreis Bad Godesberg-Voreifel – Ekir.de
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung