Reformen und Personalplanung im Mittelpunkt

„Der Problemdruck wird größer.“ Mit diesen Worten umriss Kirchenrechtsdirektor Henning Boecker vom Düsseldorfer Landeskirchenamt die Situation in der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR). Mehr als 70 kreiskirchliche Vertreterinnen und Vertreter  aus 13 Kirchengemeinden waren zur Frühjahrssynode des Evangelischen Kirchenkreises Bad Godesberg-Voreifel nach Euskirchen gekommen. Sie  diskutierten Reformvorschläge, die zwei Arbeitsgruppen der Landessynode vorgelegt haben.  Hier […]

„Der Problemdruck wird größer.“ Mit diesen Worten umriss Kirchenrechtsdirektor Henning Boecker vom Düsseldorfer Landeskirchenamt die Situation in der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR).

Mehr als 70 kreiskirchliche Vertreterinnen und Vertreter  aus 13 Kirchengemeinden waren zur Frühjahrssynode des Evangelischen Kirchenkreises Bad Godesberg-Voreifel nach Euskirchen gekommen. Sie  diskutierten Reformvorschläge, die zwei Arbeitsgruppen der Landessynode vorgelegt haben.  Hier ging es darum, die presbyterial-synodale Ordnung zu überprüfen und gegebenenfalls Vorschläge zu machen, diese zukünftigen Gegebenheiten anzupassen. So stellen vor allem die zurückgehenden Kirchensteuereinnahmen ein Problem dar. Die zweite Arbeitsgruppe sollte das Dienst- und Arbeitsrecht im Hinblick auf Einsparungsmöglichkeiten und Zukunftsfähigkeit überprüfen.
In seinem Eingangsreferat richtete Henning Boecker besonderes Augenmerk auf den Pfarrdienst und die fehlende Personalplanung: „Es gibt in der EKiR keine Personalplanung, weil die Kirchengemeinden die Stellen besetzen.“ Daher setzt die Landeskirche darauf, Steuerungsinstrumente zum Beispiel für Personalwirtschaft und -entwicklung einzuführen. So könnte der Zugang zum Pfarrdienst neu geregelt werden. Eine weitere Idee ist, alle Mitarbeitenden und eventuell auch die Pfar-rerinnen und Pfarrer auf Kirchenkreisebene anzustellen. Sämtliche Materialen da-zu finden Interessierte unter www.ekir.de/prioritaeten.
Im Hinblick auf die anstehenden Veränderungen ist Superintendent Eberhard Kenntner „grundsätzlich optimistisch“. Doch er gibt zu bedenken: „Wir könnten uns allerdings die Zukunft verbauen, wenn wir allzu lange an überkommenen Formen und erstarrten Strukturen kleben bleiben. Da sehe ich im Moment ein großes Problem.“  Etwa in der Frage der Beamtenschaft in der Kirche. Wenn Theologinnen und Theologen nicht automatisch Beamte sein müssten, könne die Kirche viel flexibler auf aktuellen Probleme reagieren. „Sie könnte auch mittel- und kurzfristige Pfarrstellen einrichten, da wo Brennpunkte sind.“

 

Die Synodalen reagierten durchaus kritisch auf die Vorschläge aus Düsseldorf. Pfarrer Ulrich Zumbusch aus Zülpich: „Ich bin ganz sicher, dass die Presbyterien sich da stark gegen wehren werden und ein Stück eigenes Selbstbewusstsein zum Ausdruck bringen.“ Für Magdalena Winchenbach-Georgi aus Bad Godesberg steht der Aspekt der Solidarität unter den Gemeinden im Vordergrund. Doch sie befürchtet, „dass der Egoismus der einzelnen Gemeinden doch überwiegen wird“. Manfred Kohlosser setzt auf  Lernen: „Ich erhoffe mir, dass ein Prozess in Gang gesetzt wird, so eine Art lernendes Modell bei den Veränderungen und dann letzten Endes zu Gunsten aller Beteiligten hier Stück für Stück Veränderungen durchgeführt werden.“ Die Synodalen wählten den Rheinbacher Presbyter ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung neu in den Kreissynodalvorstand, das Leitungsgremium des Kirchenkreises.

Kirche hat ein Wächteramt

Superintendent Eberhard Kenntner warb gemeinsam mit Jugendpfarrer Gisbert Hatscher dafür, die Volksinitiative-NRW per Unterschrift zu unterstützen. Ihr Ziel ist die vollständige Umsetzung des erst vor 15 Monaten beschlossenen Kinder- und Jugendförderungsgesetzes NRW. Die Landesregierung soll aufgefordert werden, die Kürzungen zurück zu nehmen und die versprochene und gesetzlich festgelegte Förderung der Kinder- und Jugendarbeit in NRW in Höhe von 96 Millionen Euro einzuhalten. „Wir dürfen nicht anfangen, bei Jugendlichen zu sparen, wenn es um ihre soziale Kompetenz geht“, so Kenntner. „Hier hat Kirche ein Wächteramt.“

 

Anträge an die Landessynode

Gleich zweimal beauftragten die Abgeordneten aus den Gemeinden die rheinische Landessynode die landeskirchliche Finanz- und Verwaltungspraxis zu ändern. Mit Blick auf die Finanzierung des Pfarrdienstes empfiehlt die Kreissynode der Landeskirche die Wiedereinführung einer am Kirchensteuerbrutto orientierten Umlage. Diese soll gesamtkirchlich finanziert werden und ein Drittel der entstehenden Kosten decken. Die verbleibenden rund 56.000 Euro pro voller Pfarrstelle sollen weiterhin durch die Gemeinden und Einrichtungen finanziert werden, bei denen die Pfarrerinnen und Pfarrer angestellt sind. Außerdem soll aus Sicht des Kirchenkreises Bad Godesberg-Voreifel die kirchliche Verwaltungsordnung insoweit geändert werden, dass der Erhalt bestehenden Vermögens nicht mehr oberste Priorität hat. Bisher schreibt die Verwaltungsordnung vor, dass beispielsweise bei der Veräußerung von Grundstücken ein Ersatzgrundstück zu erwerben oder der Verkaufserlös einer entsprechenden zweckgebundenen Kapitalrücklage zuzuführen ist.

Mit einem weiteren Antrag machten sich die Synodalen dafür stark, die landeskirchliche Beratungsstelle für christlich-muslimische Begegnung am Theologischen Zentrum der Kirchlichen Hochschule Wuppertal anzusiedeln, um eine gewisse Unabhängigkeit in diesem Arbeitsfeld zu gewährleisten.

Ausführliche Stellungnahmen von Synodalen aus Zülpich, Rheinbach und Bad Godesberg

Ulrich Zumbusch, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Zülpich:

Zu befürchten ist ja einerseits vieles. Aber das Positive, was ich mir erhoffe, ist, dass die Gemeinden noch mal in ihrem Selbstbewusstsein, dass sie gestärkt werden und aus diesem Bewusstsein hinaus vielleicht manche doch zu weit gehende Einschränkungen abwehren können.

Ich habe die Befürchtung, dass die Eigeninitiative, auf die ich immer noch hoffe, und auch der gesunde Menschenverstand in den Gemeinden zu sehr durch eine Überreglementierung eingeschränkt wird. Und das darf eigentlich nicht sein. Ich bin auch ganz sicher, dass die Presbyterien sich da stark gegen wehren werden und ein Stück eigenes Selbstbewusstsein zum Ausdruck bringen.

Magdalena Winchenbach-Georgi, Presbyterin der Evangelischen Thomas-Kirchengemeinde Bad Godesberg und Mitglied des Kreissynodalvorstands Kirchenkreis Bad Godesberg-Voreifel:

Ich habe den Eindruck, dass es sehr leicht ist, allgemein zu sagen: Wir sind solidarisch, wir wollen zusammenarbeiten, wir wollen uns gegenseitig unterstützen. Und in dem Moment, wo es konkret wird, dann heißt es: Kostet es uns was, müssen wir was abgegeben, dann ist man schon sehr viel zurückhaltender. Und ich befürchte, dass der Egoismus der einzelnen Gemeinden doch überwiegen wird.

Manfred Kohlosser, Presbyter der Evangelischen Kirchengemeinde Rheinbach und neu gewähltes Mitglied des Kreissynodalvorstands Kirchenkreis Bad Godesberg-Voreifel:

Ich erhoffe mir also, dass ein Prozess in Gang gesetzt wird, so eine Art lernendes Modell bei den Veränderungen und dann letzten Endes zu Gunsten aller Beteiligten hier Stück für Stück Veränderungen durchgeführt werden, weil sonst eben die Gefahr besteht, dass die Kirche der Reformation, so wie wir sie verstehen, auch ein Teil von ihrer Identität verliert.

Ich bin eher zuversichtlich. Ich bin wirklich zuversichtlich. Da wird mit soviel Sachverstand und Einfühlungsvermögen an die Dinge heran gegangen. Außerdem gibt es ja immer noch den lieben Gott im Himmel, der auf uns schaut und uns überbewacht. Der wird uns schon begleiten.

 

Superintendent Dr. Eberhard Kenntner: „Nicht an erstarrten Strukturen kleben bleiben“

Ich fand, die Diskussionen haben auf einem guten Niveau stattgefunden und die wesentlichen Knackpunkte der Vorlagen sind von den Presbyterinnen und Presbytern erkannt worden. Und damit haben wir gute Aussichten für unsere Sommersynode dort wirklich auch zu den entscheidenden Punkten qualifiziert Stellung zu nehmen.

Die Knackpunkte sind die Kompetenzen des Presbyteriums, die nach den Vorschlägen auf höhere Ebenen verlagert werden sollen und ich habe heute wahrgenommen, dass es eine Fülle von Einzelvorschlägen gibt, die gesamtkirchlichen Interessen zu sehen und auch wahrzunehmen und gesamtkirchliches Handeln zu verbessern ohne grundlegende Kompetenzen aus den Gemeinden wegzunehmen.

Ich bin grundsätzlich optimistisch. Wir könnten uns allerdings die Zukunft verbauen, wenn wir allzu lange an überkommenen Formen und erstarrten Strukturen kleben bleiben. Da sehe ich im Moment ein großes Problem. Etwa in der Frage der Beamtenschaft in der Kirche. Ich denke, dass Theologinnen und Theologen bei gleicher Bezahlung nicht unbedingt Beamte sein müssen. Damit könnte Kirche sehr viel flexibler reagieren auf aktuelle Probleme und könnte auch mittel- und kurzfristige Pfarrstellen einrichten, da wo Brennpunkte sind.

Also, was die Beschlüsse an die Landessynode betrifft, bin ich richtig stolz. Weil wir unter den Kirchenkreisen eine richtige Vorreiterrolle eingenommen haben. Die sehr hohen Kosten, die heutzutage die Kirchengemeinden für ihre Pfarrstellen bezahlen müssen, sind Kosten, die nicht alle vor Ort anfallen. Und einige Gemeinden sind inzwischen nicht mehr in der Lage, mittelfristig ihren Pfarrdienst zu sichern. Hier haben wir einen Beschlussvorschlag eingebracht, der landeskirchenweit dazu führen könnte, dass schätzungsweise, sagen wir mal 50 Pfarrstellen, die zur Streichung anstehen, nicht wegfallen müssen. Das wäre ein großer Erfolg.

 
 

 

Uta Garbisch / Sven Waske (Text und Fotos) /

 

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