Ökumenischer Gottesdienst: ungewöhnlich freundlich empfangen

„Ich kann mich bis heute sehr gut erinnern“, sagt die Frau mit dem bordeauxroten Kopftuch, über den Blick während des Anflugs nachts vor fast fünf Jahren: „Die Lichter von Köln, das war wunderschön.“ Und am Flughafen sah sie nach Jahren ihren ältesten Sohn wieder. Ihn hatte sie einst als allererstes Familienmitglied außer Landes gebracht. Damit […]

„Ich kann mich bis heute sehr gut erinnern“, sagt die Frau mit dem bordeauxroten Kopftuch, über den Blick während des Anflugs nachts vor fast fünf Jahren: „Die Lichter von Köln, das war wunderschön.“ Und am Flughafen sah sie nach Jahren ihren ältesten Sohn wieder. Ihn hatte sie einst als allererstes Familienmitglied außer Landes gebracht. Damit er weder vom IS noch von waffentragenden Kurden rekrutiert werde, sagt die kurdische Elektro-Ingenieurin. Der Sohn ist heute Medizinstudent in Göttingen.

„Sie waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich.“ Unter diesem Bibel-Wort stand der Ökumenische Gottesdienst der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Bonn anlässlich der Gebetswoche für die Einheit der Christen. Ungewöhnlich der Ort: Reihen mit Kartons für Babysachen, daneben Regalreihen mit Kinderklamotten, dahinter – ebenso fein sortiert nach Größen: für Männer und Frauen, Schuhe verschiedenster Größe. Statt in einer Kirche fand der Gottesdienst im Zentrallager Sachspenden Bonn (ZeSaBo) statt.

„Sie waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich.“ Neben der Kurdin stellten sich im Gottesdienst ein syrischer Flüchtling vor, der im Frühjahr seine Ausbildung als Busfahrer vollenden wird. Und ein junger Mann, gebürtig aus dem Iran. Drei Menschen, die als Geflüchtete kamen und für die Menschen stehen, die im ZeSaBo Hilfe in Form von Bekleidung und Schuhwerk finden.

Einem Projekt, das 2016 im alten Posthof in Bonn entstand, mittlerweile an der Endenicher Straße untergebracht ist, rund 12.000 Personen geholfen hat, und zu dessen Abnehmern mittlerweile beispielsweise auch die Gefährdetenhilfe gehört. 36 Ehrenamtliche ermöglichen den Betrieb.

Dr. Thomas Schüppen, altkatholischer Pfarrer und ACK-Vorsitzender, beklagt im Gottesdienst, dass viele Geflüchtete heute nicht freundlich begrüßt werden; beklagt das Leid von Geflüchteten im Mittelmeer, „für das wir alle mitverantwortlich sind, die wir auf der Sonnenseite leben“. Im ZeSaBo allerdings dienten Menschen Tag für Tag anderen Menschen.

Der Gottesdienst – zur ACK Bonn gehören auch die Kirchenkreise Bonn, Bad Godesberg-Voreifel sowie An Sieg und Rhein – stand im Zeichen der biblischen Geschichte über Paulus, der als Gefangener per Schiff Richtung Rom unterwegs ist, siehe Apostelgeschichte, Kapitel 27 und 28. Das Schiff: keine Aida, aber auch keine kleine Jolle, wie es im Gottesdienst hieß. Und so wurde der Wirbelsturm brandgefährlich. Hätte man nicht doch besser erst den Winter abgewartet? Diese und weitere Hürden überstand die Schiffsbesatzung am Ende heil. Doch die größte Überraschung erwartete sie am Ziel: Sie wurde ungewöhnlich freundlich empfangen.

Text und Fotos: Anna Neumann/ekasur.de