„Man dient Gott auch durch Müßiggang“

Ein Viertel der Erwerbstätigen zeigt Symptome von Burnout. Sind Pfarrerinnen und Pfarrer auch gefährdet? Fachleute sagen: Ja. Grund genug für den Pfarrkonvent Bad Godesberg-Voreifel sich näher mit dem Thema zu beschäftigen. „Brennen ohne auszubrennen – Burnout erkennen und verhindern“ hieß das Thema am Montag in der Immanuelkirche in Bad Godesberg. Wie ein Hamster im Hamsterrat […]

Ein Viertel der Erwerbstätigen zeigt Symptome von Burnout. Sind Pfarrerinnen und Pfarrer auch gefährdet? Fachleute sagen: Ja. Grund genug für den Pfarrkonvent Bad Godesberg-Voreifel sich näher mit dem Thema zu beschäftigen.

„Brennen ohne auszubrennen – Burnout erkennen und verhindern“ hieß das Thema am Montag in der Immanuelkirche in Bad Godesberg. Wie ein Hamster im Hamsterrat fühlen sich Betroffene. Die Energie ist restlos verbraucht, Regeneration unmöglich, erläuterte der Theologe und Psychologe Edwin Jabs. Der Leiter der evangelischen Hauptstelle für Familien- und Lebensberatung (Düsseldorf) informierte die Pfarrerinnen und Pfarrer im Evangelischen Kirchenkreis Bad Godesberg-Voreifel über Diagnose, Symptome, Prophylaxe der Belastungsstörung.

Als Vorstufe von Burnout identifizierte Jabs hohes berufliches Engagement, das Gefühl der Unentbehrlichkeit, der Beruf stehe im Mittelpunkt. Schlafstörungen gehen mit chronischer Müdigkeit einher. Motivationsverlust und kleine Rückzüge sind zu beobachten: „Der Vater spielt nicht mehr mit den Kindern.“

Dann folge die anhaltende emotionale und körperliche Erschöpfung. Gleichgültigkeit und ein Gefühl der eigenen Erfolgs- und Wertlosigkeit machen sich breit. Hormonell werde ein permanenter Alarmzustand erzeugt. „Dabei ist nicht nur die Seele, sondern auch der Körper betroffen“, schilderte Edwin Jabs. Herzprobleme, Gefäßerkrankungen, Diabetes oder Tinnitus und Rückenschmerzen beobachtet er bei Betroffenen.

Wer bin ich, wenn ich nicht Pfarrer bin?

„Viele Pfarrerinnen und Pfarrer haben innere Antreiber“, sagte der Theologe Edwin Jabs: „Sei perfekt, sei beliebt, sei stark und streng dich an!“ Mit diesen Erwartungen an sich selbst sei die Gefahr des Ausbrennens besonders groß. Die individuelle Veranlagung prädestiniere Engagierte, Idealisten und Menschen ohne Ausgleich besonders, am unbewältigten Stress zu erkranken. Wenn Kirche „gegen den Trend wachsen“ solle, wie in einem kirchlichen Reformpapier gefordert, formuliere auch die Institution zusätzlich überhöhte Anforderungen. Wer sich dann mit dem Beruf total identifiziere, gerate in Abhängigkeit.

Was tun? Einen Standardweg gibt es nicht, erläuterte Jabs. Arbeit zu begrenzen und zu organisieren, Prioritäten zu setzten ist wichtig. „Wenn ich 80 Prozent schaffe, ist es gut.“ Eigene Grenzen müssen erkannt und auch eingehalten werden. „Nein sagen ist eine Kunst.“ Zeiten der Rekreation mit regelmäßigem Sport und eine arbeitsfreier Tag in der Woche sind ebenso wichtig, wie ein Schutzraum für die eigene Familie. Weil Stress im Kopf entsteht, sollten Betroffene lernen ihre Realität anzunehmen und „aufbauende Gedanken“ entwickeln.

„Man dient Gott auch durch Müßigsein.“

Ein Hauptproblem der Pfarrerschaft sei einerseits das Überlastungssyndrom, auf der anderen Seite das Desinteresse vieler. Dass die Glaubwürdigkeit von Kirche heute auf die des einzelnen Pfarrers/der Pfarrerin reduziert werde, verschärfe die Situation. Dabei locken nicht Aktivismus und Events Kircheneintrittswillige, sondern positive Erfahrungen bei Seelsorge, Taufe oder Patenschaft, erläuterte Jabs empirische Untersuchungen. Ganz praktisch gab Edwin Jabs den Theologinnen und Theologen vier Ratschläge auf den Weg: die pastoralen Kernaufgaben zu definieren, um Ziellosigkeit vorzubeugen, den Umfang von vollen oder halben Stellen zu definieren, verbindliche Vertretungsregelungen zu schaffen und eine „gegenseitige Wertschätzungskultur“ zu entwickeln.

Dass dabei die Ruhepausen nicht zu kurz kommen dürfen, erkannte schon Martin Luther. Mitten in einer wichtigen Phase der Reformation, beim Reichstag zu Augsburg, schreibt er seinem Freund Phillip Melanchthon: „Darum befehle ich Euch und allen Freunden, Euch unter Androhung des Bannes Gesundheitsmaßregeln für Euer Körperchen aufzuzwingen; denn Ihr sollt nicht Euer eigener Mörder werden und dann tun, als hättet ihr Euch im Dienste Gottes zugrunde gerichtet. Man dient Gott auch durch Müßigsein.“

Text und Foto: Uta Garbisch / 12.04.2011

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