Konflikte zivil und gewaltfrei lösen

Ob man handelt oder nicht, man wird schuldig. Wer dieses Denkmodell auf die militärische Lösung von Konflikten bezieht, tappt in eine Falle. Diese Auffassung vertrat Horst Scheffler, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden beim diesjährigen Tag des Religionsunterrichts in Bonn. Vielmehr gebe es eine dritte Option, nämlich zivil und gewaltfrei zu handeln, erläuterte er […]

Ob man handelt oder nicht, man wird schuldig. Wer dieses Denkmodell auf die militärische Lösung von Konflikten bezieht, tappt in eine Falle.

Diese Auffassung vertrat Horst Scheffler, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden beim diesjährigen Tag des Religionsunterrichts in Bonn. Vielmehr gebe es eine dritte Option, nämlich zivil und gewaltfrei zu handeln, erläuterte er am Mittwoch den rund 65 anwesenden Lehrerinnen und Lehrern. „Gewaltfreies Konfliktmanagement setzt auf konstruktive Methoden, die auf Gewaltanwendung verzichten“, so der Theologe Scheffler, dessen Arbeitsgemeinschaft 35 Organisationen vertritt, die im In- und Ausland Friedensarbeit leisten.

Dafür seien die finanziellen Mittel aufzustocken, die in einem auffallenden Missverhältnis zu den Rüstungsausgaben stehen. Der frühere Militärdekan Scheffler forderte bei der Jahrestagung des Evangelischen Schulreferats einen Paradigmenwechsel in der Politik: „Die Vorarbeit ist längst geleistet.“ So habe der Autor Markus Weingardt in seinem Buch „Religion Macht Frieden“ weltweit 40 Fallbeispiele zusammengetragen, in denen erfolgreiche Schlichtung eine militärische Eskalation verhinderte. Das Problem: Es werde zu wenig darüber berichtet. „Viele denken, das gelingt höchstens im privaten Bereich“, so Scheffler.

Leider erlebe er seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes eine Renaissance des Krieges. Dies belegten auch Buchveröffentlichungen, die den Krieg mal als Kultur, Lehrmeister oder Form des Lebenserwerbs charakterisieren. Doch die Maxime müsse sein: „Wenn du den Frieden willst, dann bereite auch den Frieden vor.“ Es sei an der Zeit, „Krieg endgültig zu ächten und aus dem politischen Verkehr zu ziehen“. Ein gutes historisches Beispiel sei das Verbot der Sklaverei durch Abraham Lincoln. Sklaverei sei seitdem nicht völlig verschwunden, aber Menschelhandel werde heute verfolgt.

Den Opfern eine Stimme geben

Praktisch gehe es nun darum, soziale Ungerechtigkeit zuhause und weltweit zu verringern, damit – wie in dem Psalmwort – „Frieden und Gerechtigkeit sich küssen“. Es gelte weiter, den Dialog der Religionen zu führen, zugunsten eines gerechten Friedens. Als drittes forderte Horst Scheffler Reduktion und Transparenz für den Handel mit Rüstungsgütern: „Wir müssen den Tätern ein Gesicht, den Opfern eine Stimme geben.“

Zivile Friedensdienste sollten vorbereitet und Menschen hierfür ausgebildet werden, auch für den staatlichen Bereich. Scheffler erinnerte an die Beispiele Krankenhaus und Schule, die zunächst von den Kirchen eingerichtet wurden und als Konzept schließlich überzeugten. „Frieden und Gerechtigkeit gehören unzertrennlich zusammen“, unterstrich auch Superintendent Hans Joachim Corts in seiner Begrüßung. Daher habe der Kirchenkreis An Sieg und Rhein jüngst ein Beratungsangebot für soziale Freiwilligen- und Friedensdienste eingeführt.

Garantien gibt es nicht

Im anschließenden Round-Table-Gespräch kamen Schülerinnen und Schüler des Bonner Beethoven-Gymnasiums zu Wort. Beispiel Libyen: Wäre das nicht auch gewaltfrei gegangen, so die Frage. Scheffler erläuterte, man müsse die politisch Verantwortlichen boykottieren, bis diese einlenken. Das Problem: „Es probiert kaum keiner aus.“ Eine Erfolgsgarantie gebe es nicht, räumte Thomas Franke von der in Bonn ansässigen Arbeitsstelle für Kriegsdienstverweigerung, Zivildienst und Freiwillige Friedensdienste der Evangelischen Kirche im Rheinland ein. „Aber diese Garantie gibt uns eine militärische Alternative auch nicht.“

Diskutiert wurde auch die Frage, inwieweit ein soziales Jahr verpflichtend eingeführt werden solle. Für Thomas aus der 13. Jahrgangsstufe ist das selbstverständlich, um soziales Engagement zu lernen. Dies könne aber nicht jeder, entgegnete Franke. Angesichts des zunehmenden Drucks auf Schüler, umgehend ein Studium aufzunehmen, wünschte sich René ein kombiniertes Angebot von Ausbildung und sozialem Engagement. Positives Schlaglicht: Drei der neun anwesenden Abiturienten planen ein freiwilliges soziales Jahr nach dem Abitur. Das Resümee von Schulreferentin Beate Sträter: „Wir haben der Friedensdebatte heute eine neue Aktualität gegeben.“

Augen auf für den gerechten Frieden

Beim Markt der Möglichkeiten im Bonner Haus der Kirche stellen Friedens- und Freiwilligendienste ihre Angebote vor, nachmittags folgten Workshops, in denen die Pädagogen einzelne Aspekte vertiefen konnten. Geboten wurden praktische Anregungen für verschiedene Schulstufen und die Jugendarbeit, wie „Theater spielen für den Frieden“ oder die Ausbildung zum Friedensstifter.

In seiner Andacht zum Abschluss der Tagung ermutigte Pfarrer Dr. Kai Horstmann (GMÖ) die Teilnehmenden, die Augen auf zu machen für gerechten Frieden, wo er schon geschieht und wo Menschen sich für ihn einsetzen. Während in den Medien schlechte Nachrichten häufig im Vordergrund stehen, „sollten wir sensibler werden für das kleine, alltägliche, unspektakuläre“. Durch eine veränderte Wahrnehmung könnten hoffnungsvolle Zeichen entdeckt und eine neue Perspektive gewonnen werden.

 
 

 

Uta Garbisch / 18.11.2011

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