Kleinerer Mantel für kleineren Körper

„Der Mantel muss dem kleiner gewordenen Körper angepasst werden.“ Mit diesem Bild hat der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) in seinem Bericht an die Landessynode deutlich gemacht, warum die Kirche in Zukunft umstrukturiert werden muss. Seinen „Bericht über die für die Kirche bedeutsamen Ereignisse“ hat Präses Nikolaus in drei Kapitel gegliedert: Zunächst „Theologie […]

„Der Mantel muss dem kleiner gewordenen Körper angepasst werden.“ Mit diesem Bild hat der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) in seinem Bericht an die Landessynode deutlich gemacht, warum die Kirche in Zukunft umstrukturiert werden muss.

Seinen „Bericht über die für die Kirche bedeutsamen Ereignisse“ hat Präses Nikolaus in drei Kapitel gegliedert: Zunächst „Theologie und Glaube“, dann „Kirchliche Strukturen und Kirchengemeinschaft“ und schließlich „Politik und Gesellschaft“. Durchwebt ist der Bericht von Gedanken zur Jahreslosung und von Zitaten des kürzlich gestorbenen Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch.

 „Als die Nachricht um die Erde lief, Gott sei aus der Kirche ausgetreten, wollten viele das nicht glauben“, leitete der Präses seine Gedanken zum Thema Kirchliche Strukturen mit einem Hüsch-Text ein. „Kirche ohne Gott?“, hätten manche irritiert gefragt. Doch andere sagten: „Endlich ist er frei. Kommt, wir suchen ihn!“, endet die Hüsch-Geschichte. Daraus schloss der Präses unter anderem, dass „gottlose und geistlose Strukturen – nicht aber Finanznot und demographischer Wandel – die Grundlage und die Existenzberechtigung unserer Kirche zerstören würden“.

„Wir beerdigen sehr viel mehr als wir taufen“

Die Kirche nehme teil am Rückgang der deutschen Bevölkerung. Das bewirke einen schleichenden Prozess des Verlustes von Mitgliedern. „Wir beerdigen sehr viel mehr als wir taufen.“ In den nächsten 20 bis 25 Jahren werde die rheinische Kirche um ein Drittel kleiner sein, nur noch rund zwei Millionen Mitglieder haben. Das Beitragsaufkommen werde deshalb um ein Drittel oder sogar die Hälfte sinken.

Das müsse Konsequenzen haben für die Zahl der Pfarrstellen und der bezahlten Mitarbeiterschaft, die Zahl und Ausstattung von Einrichtungen und Diensten, und für die Gebäude. Präses Schneider: „Der Mantel muss dem kleiner gewordenen Körper angepasst werden – er wird sonst zu schwer.“

Gegen einen planlosen Abbau

Dabei solle ein planloser Stellenabbau – wie in der Kirchenmusik, in der in den letzten fünf Jahren 30 Prozent der Stellen verloren gingen – vermieden werden. Vielmehr solle die Umgestaltung transparent und mit Beteiligung aller kirchenleitender Organe voran gebracht werden.

Außerdem machte der Präses deutlich, dass es um zwei Prozesse geht: einen kurzfristigen bis zum Jahr 2012 und einen langfristigen für die Jahre 2025 bis 2030. Für die Sparmaßnahmen bis 2012 habe der Strukturausschuss Vorschläge erarbeitet, die rund zehn Millionen Euro umfassen und von der Sondersynode im Juni entschieden werden, erinnerte der Präses.

Parallel läuft der Prozess der „langfristig zu lösenden Probleme“. Vorbereitend dazu wird die jetzige Landessynode nur in Arbeitsgruppen über zwei Papiere reden: presbyterial-synodale Ordnung sowie Besoldung und Versorgung lauten die beiden Themen. Zu diesen Vorlagen können die rund 800 Kirchengemeinden und sollen die 44 Kreissynoden bis zum 1. September Stellung nehmen, bevor dann die Landesynode 2007 darüber berät.

Iranischen Hasstiraden entgegen treten

Präses Nikolaus Schneider hat erneut dazu aufgerufen, „den Hass- und Hetztiraden des iranischen Staatspräsidenten entgegenzutreten“. Wie schon in seiner Weihnachtspredigt in Düsseldorf machte der Präses klar, dass die antiisraelischen Äußerungen „kein Ausrutscher“ waren. „Und ich persönlich kann mir auch nicht vorstellen, dass Repräsentanten dieses Staates gerade angesichts der deutschen Schuld gegenüber Jüdinnen und Juden in unserem Land an einer Fußballweltmeisterschaft teilnehmen – so, als wären die Hetz- und Hasstiraden nicht gehalten worden.“

„Kriegerische Auseinandersetzungen haben sich wie eine Pest in vielen Teilen der Welt ausgebreitet“, beklagt der Präses weiter in seinem Bericht. Die „Dekade zur Überwindung der Gewalt“ laufe. „Die Wirklichkeit scheint dem Hohn zu sprechen.“ Insbesondere die Entstaatlichung von Kriege durch private Armeen unterlaufe das Ziel, Gewalt durch Recht zu binden.

Absolutes Folterverbot

Entschieden wandte sich der Präses gegen Folter. Berichte über Folter in den Gefängnissen des Irak, über die Einrichtung von Foltergefängnissen in Afghanistan und in Osteuropa „haben uns diese Brutalitäten nahe auf den Leib rücken lassen“.

Und nun werde auch noch darüber diskutiert, ob unter Folter gewonnene Informationen in Deutschland verwendet werden dürfen. „Dagegen sage ich: Gegenüber der Folter ist eine absolute Grenzziehung notwendig.“ Der Barbarei dürfe nicht die Tür geöffnet werden – „auch nicht der kleinste Spalt“.

 

„Hartz“ ist ineffizient

Das Jahr 2005 habe in Deutschland sozialpolitisch keine Entspannung gebracht, bilanziert der Präses in seinem Bericht weiter. Die Hartz-Gesetze seien in Gang gesetzt worden – den Betroffenen hätten sie „Erfahrungen von Ohnmacht, Orientierungslosigkeit und Verlust“ beschert. Es sei falsch gewesen, bewährte Fördermaßnahmen zu beenden. Fördermaßnahmen, durch die auch die Kirchen Jugendlichen und Langzeitarbeitslosen hatten helfen können. Und die neuen Maßnahmen seien „ineffizient und teuer“ und trügen sogar noch zum Abbau sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze bei. „Vor allem benötigen wir mehr Arbeitsplätze, damit das Fördern und Fordern nicht ins Leere läuft“, unterstrich der Präses.

Außerdem nutzte Nikolaus Schneider den Präsesbericht, um für eine „Altfallregelung“ zu werben. Die rund 200.000 „geduldeten“ Ausländerinnen und Ausländer bräuchten endlich einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Und bis zu der von der Innenministerkonferenz verschobenen Entscheidung dürfe es keine Abschiebungen geben.

 

Jugendarbeit droht herber Rückschlag

„Besonders erfreulich“ sei die Fortsetzung der Finanzierung der Privatschulen in Nordrhein-Westfalen, erklärte der Präses. Damit ist die geplante Kürzung bei den EKiR-Schulen in Höhe von 15 Millionen Euro vom Tisch. Doch nun drohe ein anderer „herber Rückschlag“. So wolle die neue Regierung die von der alten Landesregierung beschlossene Kürzung der Pauschalen von Sach- und Investitionskosten bei Kindertagesstätten beibehalten.

„Ferner bitten wir eindringlich darum, die Ergebnisse des Volksbegehrens zur Jugendpolitik zu würdigen und die geplanten Etatansätze dazu noch einmal zu überdenken.“

Globalisierung bewirkt „Sklavenarbeitsverhältnisse“

Besorgt äußerte sich der Präses zum Thema Globalisierung. Weltweite Konzerne zwingen die Länder in einen Wettbewerb um die billigsten Produktions- und Handelsstandorte, so der Präses. Das habe „fatale Folgen“ für die Stabilität und das Lebensniveau der Menschen. Wenige werden immer reicher und Viele immer ärmer – das sei eine zerstörerische Entwicklung. „Es ist zu beklagen, dass Sklavenarbeitsverhältnisse auf dieser Welt wieder zunehmen.“

Missachtung von Gesundheitsnormen am Arbeitsplatz, ungerechte Entlohnung, physischer und psychischer Zwang – die Globalisierung gehe einher mit Formen struktureller Gewalt. Nun wird sich die Landessynode 2007 mit dem Thema Globalisierung beschäftigen. Er hoffe sehr, dass sie „Vorschläge dafür macht, wie das Wirtschaften besser in den Dienst für das Leben aller Menschen genommen werden kann.“ Nötig seien Instrumente zur Ordnung der weltweiten Märkte und des Ausgleichs zwischen Arbeit und Kapital.

Entwicklungsarbeit besser fördern

Zum Thema Entwicklungsarbeit formulierte der Präses eine „Problemanzeige“. Die Ausstattung des Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) mit Kirchensteuermitteln müsse erneut auf die Tagesordnung kommen. In der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hätten sich alle Kirchen verpflichtet, zwei Prozent ihres Kirchensteueraufkommens für den kirchlichen Entwicklungsdienst aufzubringen. Auch die rheinische Kirche erfülle diese Zielmarke nicht.

Das sei auch deshalb ärgerlich, weil die Bundesregierung endlich ernsthafte Anstrengungen unternehmen, die Entwicklungshilfe auf sieben Prozent des Bruttosozialprodukts zu steigern – nach langem Drängen auch der Kirchen. Und dann noch diese Peinlichkeit: Der EED könne mangels nötiger Eigenbeteiligung weniger Mittel der Bundesregierung abrufen. Zu Lasten „unserer Partner in der Dritten Welt“.

Kein ökumenischer Durchbruch

Mit einem Taufgedächtnisgottesdienst und einem Symposium soll am 4. März an die seit zehn Jahren bestehende Taufvereinbarung der EKiR mit den katholischen Bistümern Aachen, Essen, Köln, Münster und Trier erinnert werden. Den Gottesdienst werde er mit Erzbischof Joachim Kardinal Meisner leiten, kündigte der Präses an. Thema des Symposiums: „Ihr sollt meine Zeugen sein – die Taufe als Tor zu einem gemeinsamen Leben in Christus“.

Außerdem habe er mit dem Kölner Kardinal eine Tradition begründet: Jeweils am Vorabend zum 1. Advent und zum 1. Fastensonntag wollen Präses und Kardinal eine ökumenische Vesper abhalten. Eine „erfreuliche Entwicklung“ nehmen die von der Landessynode 2001 empfohlenen Partnerschaftsvereinbarungen. Mittlerweile kooperieren auf diese Weise 40 evangelische und katholische Gemeinden, berichtete der Präses.

„Kein ökumenischer Durchbruch“ sei die Begegnung mit dem Papst im August in Köln gewesen, so der Präses weiter, vor allem nicht in Bezug auf das gemeinsame Abendmahl in konfessionsverbindenden Ehen. Das Treffen sei aber eine „Vergewisserung auf dem gewundenen und steinigen Weg der Ökumene“ gewesen. Dabei gebe es zur Ökumene „keine Alternative“, so der Präses.

Debatte um das Abendmahl versachlicht

Im kommenden Jahr werde sich die Synode erneut mit dem Thema Abendmahl beschäftigen, kündigte der Präses an. Der Beschluss „Eingeladen sind alle“, den die Landessynode 2004 gefasst hat, habe eine heftige Diskussion ausgelöst, erinnerte der Präses. Inzwischen sei die Debatte versachlicht. „Wir sind deshalb auf einem guten Weg.“ So bestehe Einigkeit über das zentrale Anliegen des Beschlusses: der Gefahr wehren, dass die Kirche bei der Feier des Abendmahls über den Herrn verfügt. Weiterer Konsens: Grundlegende Voraussetzung für die Teilnahme am Abendmahl ist die Taufe.

Außerdem bestehe Einigkeit darüber, dass das Wort „alle“ im Titel des Beschlusses missverständlich ist. Zu den Punkten, über die noch Dissens besteht, gehöre die Frage, ob Begriffe wie „zulassen“ und „ausschließen“ beim Thema Abendmahl unangemessen sind. Ende Januar stehe ein weiteres Fachgespräch an, diesmal mit Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK).

Familie verantwortlich gestalten

In seinem Bericht sprach der Präses auch ein drittes Thema an, das die Landessynode 2007 beschäftigen wird: Familie. „Gemeinschaftsgerechtigkeit ist für uns heute die Leitvorstellung für das Zusammenleben in Partnerschaften.“ Auf Moralisierungen gegenüber verschiedenen Formen von Familie, auf das Vorschreiben bestimmter Modelle solle verzichtet werden. „Aber wir halten fest, dass wir Gott verantwortlich sind für unser Leben und für das zukünftige Leben auf dieser Erde.“

Deshalb seien die Menschen auch Gott verantwortlich, wie sie in ihren Beziehungen das Leben weitergeben und Partnerschaften, Familien und Gemeinschaften leben. Biblische Wegweisung gebe beispielsweise das Gebot Liebe deine Nächsten wie dich selbst. Das bedeutet, so der Präses: „Also nimm die Gefühle, Wünsche und Pläne deiner Partnerin und deines Partners so ernst und so wichtig wie deine eigenen.“

 
Präsesbericht zum Hören
 

 

neu / 09.01.2006

 

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