Kein Salto rückwärts

Als der Frauenfachausschuss vor 20 Jahren gegründet würde, gab es Skepsis und auch Widerstand. Superintendent Eberhard Kenntner erläutert in seinem Grußwort zum Jubiläum, warum er auch heute noch dringend gebraucht wird. Liebe Schwestern! Im Namen des Kreissynodalvorstandes überbringe ich herzliche Glückwünsche zum 20-jährigen Bestehen des kreissynodalen Fachausschusses für Frauenfragen. Als der FA gegründet wurde, gab […]

Als der Frauenfachausschuss vor 20 Jahren gegründet würde, gab es Skepsis und auch Widerstand. Superintendent Eberhard Kenntner erläutert in seinem Grußwort zum Jubiläum, warum er auch heute noch dringend gebraucht wird.

Liebe Schwestern!

Im Namen des Kreissynodalvorstandes überbringe ich herzliche Glückwünsche zum 20-jährigen Bestehen des kreissynodalen Fachausschusses für Frauenfragen. Als der FA gegründet wurde, gab es in der Kreissynode manche Skepsis, auch manchen Widerstand. Viele fragten damals, wo denn der FA für Männerfragen bliebe. Und heute gibt es leider auch schon wieder einzelne Stimmen, die meinen, dass der FA seine Arbeit endgültig erledigt habe und sein 20-jähriges Jubiläum gut zur Selbstauflösung nutzen könnte. Die emanzipatorischen Frauenanliegen seien doch umgesetzt, und die feministische Theologie an vielen Stellen doch eh weit übers Ziel hinausgeschossen.

Ich bin da dezidiert anderer Meinung. Nicht nur weil gerade erst wieder offiziell festgestellt wurde, dass in Deutschland nach wie vor eine herbe Benachteiligung von Frauen herrscht – der Durchschnittslohn liegt immer noch um gut 23% unter dem der Männer – sondern aus guten theologischen Gründen, und auch aus kirchenpolitischen.

Die theologischen Gründe hat vor 250 Jahren der Erfinder der Losungen, Nikolaus Graf von Zinzendorf auf den Punkt gebracht. Er stellte fest, dass der wirkungsgeschichtlich so folgenschwere Satz des Apostels Paulus aus I. Kor. 14, 34 „Die Frau schweige in der Gemeinde“ in krassem Gegensatz zu Grundinhalten der Verkündigung Jesu steht. Und auch in Gegensatz zu anderen, viel fundamentaleren Aussagen des Apostels selbst, etwa „Hier ist nicht Jude noch Grieche, nicht Mann noch Frau, nicht Sklave noch Freier, sondern allzumal einer in Christus (Gal. 3,28).

Und auch Paulus selbst ließ ja zu, dass Frauen öffentlich beteten und weissagten (I. Kor.11, 5). Gut reformatorisch verstand Zinzendorf unter Weissagung  die Wortverkündigung in Form der Predigt. Also ordinierte er 1758 insgesamt 14 Frauen zu „Presbyterinnen“, was nichts anderes bedeutete, als dass sie nun als Pfarrerinnen wirkten. Für Zinzendorf war unstrittig, dass die Verheißung aus dem I. Petrusbrief (2,9) „Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft“ selbstverständlich auch auf Frauen zu beziehen ist. Vor 250 Jahren war also eigentlich theologisch alles klar zur Umsetzung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern auf allen kirchlichen Ebenen und in allen kirchlichen Ämtern.

Doch es kam schon kurz nach Zinzendorfs Tod der Salto rückwärts. Nicht etwa, weil Theologen klare Gegenargumente gefunden hätten, nicht etwa  weil die Predigerinnen sich nicht bewährt hätten in ihrem Dienst, auch nicht weil das Kirchenvolk die Neuerung nicht mittragen wollte.

Nein, die Kirchengeschichtsforschung weiß zu berichten, dass die Herrenhuter das Experiment „Gleichstellung der Frau“ einstellen mussten, um „im Frieden mit den evangelischen Landeskirchen zu leben.“ Wobei dieser „Friede mit den ev. Landeskirchen“ sich weder um die guten Erfahrungen noch die theologischen Einsichten Zinzendorfs scherte.

Und damit ist klar, dass schon seit Jahrhunderten die kirchenpolitische Sicht mindestens ebenso wichtig ist wie die theologische. Der „Friede mit den ev. Landeskirchen“ nach Zinzendorfs Tod – ein Musterbeispiel an faulem Frieden – nahm Rücksicht auf Traditionalisten, auf untheologische bürgerliche Argumente, auf Veränderungsängste und Befürchtungen um  Machtverlust. Und führte so zu weiteren zwei Jahrhunderten Schattendasein der Frauen in der Kirche und Festigung ihrer dienenden Rolle unter männlicher Dominanz.

Auch wenn die Argumentationslage heute eine andere ist und die theologischen Grundlagen nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt werden können, muss, so fürchte ich, auf die andere Argumentationsschiene auch heute genau geachtet werden, nämlich den „Frieden mit den ev. Landeskirchen“. Es darf nicht geschehen, dass in Zeiten von Wirtschaftskrise und zurückgehenden Ressourcen unter dem Deckmäntelchen „Friede mit den Landeskirchen“ Positionen zurückgenommen werden, die mühsam eine fast 2000-jährige Fehlentwicklung korrigiert haben.

Von daher meine ich, dass wir den FA Frauenfragen heute und besonders in den kommenden Jahren neuer Verteilungskämpfe in Gesellschaft und Kirche weiterhin dringend brauchen. Er hat ein Wächteramt inne und wird Synode und KSV helfen, ausgewogene Entscheidungen zu treffen. Nachdem nach dem Weggang von Angelika Zädow keine einzige Theologin mehr in unserem KSV ist, eine umso wichtigere Aufgabe.

Ich danke allen, die in den vergangenen 20 Jahren die Arbeit des FA geprägt, mitgestaltet und geleitet haben, und wünsche für die kommende Zeit weiterhin ein gutes und vertrauensvolles Miteinander , für heute einen ertragreichen Studientag und für die künftige Arbeit des FA Gottes reichen Segen!  

Dr. Eberhard Kenntner, Superintendent, am 3. Juli 2010 in Meckenheim

 

 

 
 

 

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