Islamischer Religionsunterricht: Suche nach Richtlinien

Es geht um die Kinder. Darin waren sich alle einig, als Schulministerin und Lehrkräfte, Vertreter der Muslime und der Evangelischen Kirche über den neu eingeführten Islamischen Religionsunterricht diskutierten. Doch bei der Zusammensetzung des Beirats und Frage der Lehrerlaubnis gingen die Meinungen praktisch und strukturell auseinander. Zur Erklärung: Der unabhängige Beirat ist übergangsweise bis 2019 für […]

Es geht um die Kinder. Darin waren sich alle einig, als Schulministerin und Lehrkräfte, Vertreter der Muslime und der Evangelischen Kirche über den neu eingeführten Islamischen Religionsunterricht diskutierten.

Doch bei der Zusammensetzung des Beirats und Frage der Lehrerlaubnis gingen die Meinungen praktisch und strukturell auseinander.

Zur Erklärung: Der unabhängige Beirat ist übergangsweise bis 2019 für die Landesregierung Ansprechpartner auf muslimischer Seite, um Lehrerausbildung und Lehrpläne zu regeln. Eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft als Körperschaft öffentlichen Rechts wie die christlichen Kirchen gibt es nämlich bei den Muslimen in Deutschland nicht. Vielmehr besteht eine Vielzahl von unterschiedlich geprägten Verbänden, die sich zum Teil im Koordinationsrat der Muslime (KRM) als Dachorganisation zusammen geschlossen haben. Der ehrenamtliche Beirat besteht aus acht Mitgliedern. Vier davon hat der KRM entsandt, die übrigen wurden vom nordrhein-westfälischen Schulministerium im Einvernehmen mit diesem bestimmt. Ihre Amtszeit beträgt drei Jahre.

Eine Frage der Gleichstellung

„Das ist ein Provisorium, keine Dauerlösung“, unterstrich Schulministerin Sylvia Löhrmann am Dienstagabend auf Einladung des Evangelischen Schulreferates in Bonn. Ihr Ziel ist es, den islamischen Religionsunterricht überhaupt auf den Weg zu bringen. „Das ist eine Frage der Gleichstellung.“ Für Lamya Kaddor vom Liberal-islamischer Bund repräsentiert der Beirat maximal 30 Prozent der Muslime in Deutschland. „Das ist aus meiner Sicht zu einseitig“, so die Islamlehrerin, die dort ein eher konservatives Verständnis des Islam vertreten sieht. Für den Sprecher der KRM, Ali Kizilkaya, hingegen ist das Beiratsmodell überhaupt schon ein ungeliebter Kompromiss. Denn: „Wir sehen uns im Gegensatz zur Politik als Religionsgemeinschaft.“ Das stehe für ihn außer Frage.

Fehlen Richtlinien?

Wie schon zuvor im Islamkundeunterricht müssen Lehrerinnen und Lehrer Muslime sein. Doch was gilt als Nachweis? Die Mitgliedschaft in einem Verband oder Moscheeverein? Oder ein Attest, regelmäßig das Freitagsgebet zu besuchen? Und was sagt die Anbindung an eine Moschee über die Kompetenz eines Religionslehrers aus, fragte dann auch Moderator Abdul Rashid. Das Freitagsgebet und damit die Teilnahme am Gemeindeleben ist für Kizilkaya ein wichtiges Kriterium für die Zulassung als Islamlehrer. „Wir brauchen keine muslimische Lehrbefugnis“, entgegnete Bernd Ridwan Bauknecht. „Isalmkundelehrer sind gut ausgebildet“, so das Mitglied der Deutschen Islamkonferenz, der seit neun Jahren unterrichtet. Er selbst bete in verschiedenen Moscheen und wolle sich nicht einem Verein zuordnen. Gerade in Bonn seien die meisten Moscheen nicht im KRM organisiert. Lamya Kaddor vermisst generelle Richtlinien. Nach zehn Jahren Islamkundeunterricht wird sie demnächst beim Beirat vorsprechen und ist gespannt, inwieweit etwa die Kopftuchfrage eine Rolle spielt.  Klar ist: Die mögliche Ablehnung einer Lehrperson muss dem Ministerium vom Beirat schriftlich begründet mitgeteilt werden, so Ministerin Löhrmann.

Zukunft des bekenntnis-gebundenen Religionsunterrichts

Entscheiden, wer ein guter Moslem sei, könne nur Gott, so Kaddor. Daher müsse die Selbstauskunft und nicht die Bescheinigung eines Imam ausreichen und „Grenze sein“. Ähnlich argumentierte auch Oberkirchenrat Klaus Eberl. Ob ein Mensch nach den Maßstäben der jeweiligen Religion ein guter oder ein schlechter sei, könne nicht Kriterium sein, so der  Leiter der Abteilung Bildung der Evangelischen Kirche im Rheinland. Dass Religionspädagogen sich aber in der Gemeinde engagieren, sie auch evangelischerseits wünschenswert. Eine dauerhafte gemeinschaftliche Lösung für den islamischen Bekenntnisunterricht zu finden, werde für alle Religionsgemeinschaften entscheidend sein. „Sonst hat der bekenntnis-gebundene Religionsunterricht insgesamt keine Zukunft.“

Darüber wird die Diskussion weiter gehen. „Lehrer und Verbände müssen noch tiefer ins Gespräch kommen“, so Bernd Rigwan Bauknecht. Und auch Ali Kizilkaya signalisierte: „Wir haben kein Interesse, uns zu streiten.“ Der Islamische Religionsunterricht in deutscher Sprache wird seit Schuljahrsbeginn in Nordrhein-Westfalen schrittweise eingeführt. Aktuell werden an 44 Grundschulen in NRW etwa 2.500 der insgesamt 320.000 muslimischen Schülerinnen und Schüler unterrichtet.

 
 

 

Uta Garbisch / 19.09.2012

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