Individuell und ambulant helfen

Der älteste Wohlfahrtsverband im Kreis Euskirchen, das Diakonische Werk, wird 50 Jahre alt. Gottesdienst und Festakt finden am Palmsonntag, 1. April, statt. Das Diakonische Werk der evangelischen Kirchengemeinden Euskirchen, Bad Münstereifel, Flamersheim, Zülpich und Weilerswist wurde am 1. April 1962 als „Ein-Frau-Unternehmen“ von und mit der Sozialarbeiterin Ingrid Witte aus der Taufe gehoben. Die heute […]

Der älteste Wohlfahrtsverband im Kreis Euskirchen, das Diakonische Werk, wird 50 Jahre alt. Gottesdienst und Festakt finden am Palmsonntag, 1. April, statt.

Das Diakonische Werk der evangelischen Kirchengemeinden Euskirchen, Bad Münstereifel, Flamersheim, Zülpich und Weilerswist wurde am 1. April 1962 als „Ein-Frau-Unternehmen“ von und mit der Sozialarbeiterin Ingrid Witte aus der Taufe gehoben.

Die heute 77-Jährige wird bei den Jubiläumsfeierlichkeiten (Motto: „Mit-Menschen auf dem Weg“) am Palmsonntag, 1. April, ab 10 Uhr (Festgottesdienst, danach Festakt) im evangelischen Gemeindezentrum an der Kölner Straße in Euskirchen in einem Interview Rede und Antwort stehen zu den Anfängen des „Evangelischen Gemeindedienstes für Innere Mission und Hilfswerk“.

Erst 1963, ein Jahr später als in Euskirchen, wurde das Diakonische Werk im Rheinland aus der Taufe gehoben und der Euskirchener Gemeindedienst in Diakonie umbenannt. Als „Equipment“ diente Ingrid Witte in den Anfängen ein Tisch im Gemeindebüro an der Kölner Straße.

Heute verfügt die „evangelische Caritas“, wie die Diakonie im ökumenisch offenen Rheinland schon mal scherzhaft genannt wird, über 300 Mitarbeiter, darunter 125 festangestellte Kräfte, eine Zentrale in der Kaplan-Kellermann-Straße 12 und hoffentlich bald auch über ein Apartmenthaus für betreutes Wohnen an der Oststraße in Euskirchen.

Die 300 helfenden „Mit-Menschen“ (siehe Motto) der Diakonie, hinzu kommen junge Leute im Freiwilligen Sozialen Jahr, Ehrenamtliche in allen möglichen Funktionen, z.B. Krankenhausbesuchsdienst („Grüne Damen“) und Sterbebegleitung (Hospizhelfer/innen), sind nur zum geringen Teil am Hauptsitz in der Kaplan-Kellermann-Straße anzutreffen.

Diakon Walter Steinberger, der Chef des Wohlfahrtsverbandes der fünf evangelischen Nordkreis-Kirchengemeinden, gab zusammen mit Nadine Günther, der Fachbereichsleiterin für Integrationshilfen, im Vorfeld des Jubiläums am 1. April Auskunft: „Meistens finden Sie unsere Leute da, wo sie angefordert und gebraucht werden: Bei den Menschen, für die wir uns im Sinne des Gleichnisses vom Barmherzigen Samariter verantwortlich fühlen.“

Da sein, wo Hilfe gebraucht wird

Einige der Dienste, die die Diakonie ihren „Mit-Menschen“ anbietet, feiern am 1. April mit dem Diakonischen Werk zusammen Einzel-Jubiläen: So wird die Heiligabendfeier für alleinstehende Menschen am 24. Dezember 40 Jahre alt. Sie wird von durchschnittlich 80 Senioren, Neubürgern, Obdachlosen und entlassenen Strafgefangenen besucht. „Wir machen da alles zusammen, was auch in den Familien passiert“, so Diakon Walter Steinberger: „Nach der Christmette feiern, essen, trinken, reden, singen, bescheren wir.“

Der Fachbereich Integrationshilfen umfasst eine ganze Palette von ambulanten Diensten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einer Behinderung. Hierzu gehören die Integrationshilfe in Schulen und Kindergärten, das Ambulant Betreute Wohnen (BeWo) und der Familienunterstützende Dienst (FUD).

Der FUD wird in diesem Jahr 25 Jahre jung. Die „Mit-Menschen“ aus diesem Bereich begleiten Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung als Einzelbetreuung innerhalb der Familie und in der Freizeit. Von Freizeitgruppen und Jugendtreffs, über Stadtranderholungen und Tagesaktionen, bis hin zu mehrtätigen Ferienfreizeiten finden sich zahlreiche Angebote im jährlich erscheinenden FUD Terminkalender. Auch Selbsthilfegruppen und ergänzende Angebote, wie Begegnungstage, Familiengottesdienste, Disco u.ä. werden von den Koordinatorinnen Andrea Brill und Ramona Krahe (0 22 51/92 90 15) organisiert.

Für die Integrationshilfe in Schulen und Kindergärten, sowie das Ambulant Betreute Wohnen ist Nadine Günther als Koordinatorin unter der Nummer 0 22 51/92 90 14 zu erreichen.

Die „Hilfen im Alltag“, eine Art institutionalisiertes „Mädchen für alles“ der Menschen zu Hause hauswirtschaftlich Versorgt wird von Elke Görgens-Bork (Tel. 0 22 51/ 92 90 12) koordiniert und existiert in diesen Monaten 20 Jahre. Die „Mit-Menschen“ in diesem Bereich lassen bei den hilfebedürftigen Familien nichts liegen: Egal ob der Rasen gemäht oder eine kleinere Reparatur erledigt werden muss, jemand zum Arzt begleitet wird, Einkäufe zu erledigen sind oder ein kompletter Mehr-Personen-Haushalt „gemanagt“ und geführt werden will.

Die „Diakonie-Station Euskirchen“ mit häuslicher Pflege und ambulanter Palliativpflege, die zurzeit etwa 120 Patienten zu Hause pflegt und betreut, feiert 2012 ihr 15jähriges Bestehen. Tendenz steigend, so Walter Steinberger. Insbesondere durch die Qualifizierung der Mitarbeiter/innen in Palliativpflege haben sich die Zeiten und Möglichkeiten nochmals beträchtlich erweitert, Patienten länger und besser in ihrer gewohnten Lebensumgebung begleiten und pflegen zu können.

Dabei geht es der Diakonie in Euskirchen und Umgebung nicht nur um das gesetzlich definierte körperliche Wohl der Patienten, sondern um ganzheitliche Betreuung. Diakon Steinberger: „Unfreiwillige Einsamkeit ist ein wachsendes Problem.“ Die gesetzlich vorgesehenen Pflegezeiten sind eng gefasst: So gibt es für das Duschen eines pflegebedürftigen Patienten nach wie vor 17,22 Euro, allerdings hat man den dafür vorgesehenen Zeitrahmen von 40 Minuten (1995) auf mittlerweile 21 Minuten gekürzt. Steinberger: „Da gibt es wenig Zeit für ein fürsorgliches Gespräche.“

Dass „seine“ hochmotivierten Frauen und Männer in der Diakonie-Station nicht mit der Stoppuhr von Patient zu Patient hetzen müssen, sondern mehr Zeit mitbringen, als über die Pflegeversicherung refinanziert wird, liegt an der christlichen Grundausrichtung des Diakonischen Werkes. Denn die fünf Kirchengemeinden als Träger schießen alleine neun Prozent ihres nicht unerheblichen Kirchensteueraufkommens zu den Kosten der Diakonie zu. Außerdem gibt es den Evangelischen Förderverein für die Häusliche Krankenpflege, an den eine wachsende Zahl von Menschen Geld spendet.

Diakon Steinberger: „Unser Credo ist: Wir helfen ambulant.“ Und zwar egal, ob im Haus des Diakonischen Werks, in Wohneinrichtungen, Schulen oder an Treffpunkten wie dem Demenz-Café. In der Regel greift die Diakonie da ein, wo die Hilfe am dringendsten gebraucht wird: Daheim bei schutz- und hilfsbedürftigen Menschen.

„Mit-Menschen auf dem Weg“: das Jubiläumsmotto

Die demographische Entwicklung mit einer älter werdenden Gesellschaft, in der gleichzeitig die sozialen Bindungen wegfallen, stellt für Diakon Steinberger und Nadine Günther die größte Herausforderung der Zukunft dar. Hilfebedürftig seien dabei nicht nur die Pflegebedürftigen oder Demenzkranken, sondern auch deren Angehörige.

Letztere unterstützt der älteste Wohlfahrtsverband im Kreis Euskirchen mit Rat, Tat und Kursen, die die Angehörigen selbst in den Stand versetzen, versiert, emphatisch und doch selbst geschützt vor eigenen psychologischen und emotionalen Schäden mit der schwierigen häuslichen Situation umzugehen.

Zum Angebotsspektrum des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirchengemeinden Euskirchen, Bad Münstereifel, Flamersheim, Zülpich und Weilerswist gehören natürlich auch Seniorenreisen (Tel.: 0 22 51/ 92 90 13, Kirsten Hylla und Brigitte Kuschel), Ehe- und Lebensberatung (0 22 51/ 92 90 24, Maria Heisig und Marianne Leverenz), Palliativer Hospizdienst (0 22 51/ 44 48, Diakon Walter Steinberger und Sonja Conrads), die Beratungsstelle Demenz (0 22 51/ 44 48, Monika Kronenberg) mit Betreuungscafé „Kompass“ (montags 14.30 – 17.30 Uhr, mittwochs und freitags von 9 – 12 Uhr) und Häuslicher Unterstützung von Dementen und deren Angehörigen (HUFA) sowie Selbsthilfegruppen unter anderem für Alzheimer, Autismus (Eltern autistischer Kinder) und Multiple Sklerose.

Wer ehrenamtlich – in welchem Bereich auch immer – helfen möchte, kann sich an das „Forum Ehrenamt“ (Tel.: 0 22 51/ 92 900) wenden. Die Mitgliedschaft im Evangelischen Förderverein kostet zwölf Euro jährlich für natürliche Personen und 50 Euro für „juristische Personen“, das sind Institutionen, Vereine, Gebietskörperschaften, Unternehmen etc. Auch in diesem Punkt erhält man täglich von 8 bis 14 Uhr Auskunft unter der Rufnummer (0 22 51) 92 900.

Noch ein Wort zum Motto des Jubiläums am Sonntag, 1. April, ab 10 Uhr (Festgottesdienst, anschließend Festakt in der Kirche, bzw. im evangelischen Gemeindesaal, Kölner Straße, Euskirchen) „Mit-Menschen auf dem Weg“: In einem Pressegespräch vor den Jubiläumsfeierlichkeiten wurden Nadine Günther und Diakon Walter Steinberger auch gefragt, wie hoch die Fluktuation unter den eigenen Mitarbeitern, insbesondere in der Pflege sei. Sie gilt als Indikator für Arbeitsbedingungen und Betriebsklima, aber auch für Motivation und Identifikation im Beruf.

Die Antwort verblüfft jeden, der von der hohen Fluktuation und der hohen Auszehrungsrate bei Mitarbeitern in der Pflege allgemein gehört oder gelesen hat: Es gibt so gut wie keine Wechsel, außer in den Ruhestand: Die Mitarbeiter/innen im Team sind hochmotiviert und am Menschen orientiert. Die christliche Grundausrichtung des „Unternehmens Diakonie“ wirkt sich auch nach innen aus, so Diakon Steinberger: „Wir haben auch Mitarbeiter dabei, die sind aus Hartz IV gekommen, und haben bei uns wieder die Würde der Arbeit und auch ihre eigene Würde als vollwertige Menschen und Mitarbeiter zurückfinden dürfen.“

Religions- oder gar konfessionsgebunden ist die Inanspruchnahme des gemeinnützigen Diakonischen Werkes übrigens nicht. Der „Verteilungsschlüssel“ in der Pflege ist in etwas der gleiche wie auch in den anderen Bereichen: Ein Drittel der Schutz- und Hilfsbefohlenen sind evangelisch, ein Drittel ist katholisch, ein Drittel sind muslimisch oder konfessionslos.

Demenzarbeit, Ambulante Pflege und Integrationshilfe sowie „fächerübergreifend“ die Bekämpfung der ungewollten Einsamkeit in der Gesellschaft sind für Nadine Günther und Walter Steinberger Herausforderungen der Zukunft. Die Diakonie-Zentrale in der Kaplan-Kellermann-Straße und das geplante Zwölf-Personen-Apartmenthaus für betreutes Wohnen sind vermutlich nicht der Zenit der Entwicklung des 50 Jahre jungen Diakonischen Werks im Kreis Euskirchen. Diakon Walter Steinberger: „Wir werden vermutlich weiter expandieren.“

 
 

 

Text und Fotos: Diakonie Euskirchen / 22.03.2012

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