Fröhlich mitfeiern?

Was Grusel, Angst vor Geistern und die New Economy mit Hallowen zu haben, erläutert Superintendent Dr. Eberhard Kenntner in einer Predigt. Für ihn ist das „heidnische“ Fest, das stets auf den Reformationstag fällt, eine missionarische Aufgabe. SupKonferenz 21.9.2010 Kol. 1, 15 – 20 Lesung im Wechsel: Christushymnus Kohlosser 1, 15-20 EG 774 S.1199 Liebe Schwestern […]

Was Grusel, Angst vor Geistern und die New Economy mit Hallowen zu haben, erläutert Superintendent Dr. Eberhard Kenntner in einer Predigt. Für ihn ist das „heidnische“ Fest, das stets auf den Reformationstag fällt, eine missionarische Aufgabe.

SupKonferenz 21.9.2010 Kol. 1, 15 – 20
Lesung im Wechsel: Christushymnus Kohlosser 1, 15-20 EG 774 S.1199

Liebe Schwestern und Brüder!
Ende Oktober wartet auf uns Christen eine richtige Festzeit. Der Reformationstag erinnert uns an das endgültige Ende des „finsteren Mittelalters“. Die Freiheit eines Christenmenschen wurde wiederentdeckt, Macht und Hierarchie der Kirche zurückgedrängt, Ablass und Aberglauben abgeschafft. Mit neuer Mündigkeit der Menschen zog die Neuzeit herauf.

An Allerheiligen, das noch lange auch in den Kirchen der Reformation gefeiert wurde, wandern unsere Gedanken über die Grenze des Todes, und in Vorbildern des Glaubens suchen wir Orientierung für die Gestaltung des Lebens diesseits des Todes.

Zwei Festtage also, in denen es um Grundfragen glaubender Lebensgestaltung geht. Doch wenn man auf der Straße die Leute fragt, was es da zu feiern gibt, heißt die Antwort vor allem bei Jüngeren: Halloween. Der neue SuperEvent in der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November, da geht die Post ab, action und Spaß sind angesagt, gut gemischt mit einer Portion Grusel und Schabernack. Genau das Richtige für unsere Eventgesellschaft! Masken und Kürbisse mit Licht gehören dazu. Und jede Menge Süßigkeiten.

Viele Christen stehen irritiert und ablehnend diesem Fest gegenüber. Ich gehöre nicht dazu. Ich sehe hier eine Chance, missionarisch Volkskirche zu sein. Und der Christushymnus aus Kol. 1 bestärkt mich darin.

Halloween kommt ja, wie so vieles bei uns, aus den USA, doch auch dort ist es ein Import. Der Ursprung liegt in Irland: Das an Saat und Ernte orientierte keltische Jahr endete mit dem Fest Samhain am 1. November. Man glaubte, dass in dieser Zeit die Grenze zwischen dem Reich der Lebenden und der Toten besonders schmal sei. Um zu verhindern, dass sich Geister der Toten der Lebenden bemächtigten, versuchte man sie durch Masken und Feuer zu erschrecken.

Halloween ist also ein Fest gegen die Angst; gegen die Angst vor Mächten, von denen man nicht weiß, ob sie einem gut gesonnen sind. Jeder, der schon einmal in einer stürmischen Novembernacht allein durch einen Wald gehen musste, ahnt, welche urmenschlichen Bedürfnisse nach Unverletztheit und Geborgenheit mit dem keltischen Halloweenfest aufgenommen wurden.

Gruselig ist auch die Herkunft der Kürbislaterne: Der Sage nach kam ein Spitzbube namens Jack wegen seiner vielen Sünden nicht in den Himmel und muß nun unerlöst als Irrlicht mit einer glühenden Kohle in einer Rübe durch die Welt geistern. Aus der Rübe wurde in Amerika ein Kürbis.

Halloween hat noch eine andere Urbedeutung: Nach der Ernte waren die Scheunen gut gefüllt; Kinder und Arme baten in Bettelzügen, von dem Überfluss etwas abzubekommen. Der Ruf „trick or treat“, mit dem Kinder am Halloweenabend Süßigkeiten fordern, erinnert daran, dass dieses Fest auch einmal große soziale Bedeutung hatte.

Doch weder das Fest gegen die Angst noch das Teilen mit Armen spielt bei heutigen Partys eine Rolle. Der Siegeszug von Halloween (All hallow eve) fiel zusammen mit der New Economy der 90er Jahre, einem Börsenboom, der ein Gefühl grenzenlosen Reichtums und Spaß am Konsum auslöste. Nach Weihnachten und Ostern steht Halloween heute an dritter Stelle im Umsatz von Süßwaren und Geschenkartikeln. Ohne jede religiöse Grundbedeutung, behaupten Soziologen, feiern Menschen Gemeinschaft und Lebensfreude. Und da, denke ich, dürfen wir Christen dankbar und fröhlich mitfeiern.

Allerdings kommt mir solches Feiern vor wie das Pfeifen im finsteren Wald. Die Zeiten sind unsicher geworden, nicht erst durch Börsencrash und Terrorismus. Nach neuesten Umfragen sind 2/3 aller Deutschen permanent von Ängsten geplagt. So vieles ist undurchschaubar; wer hier in einem gesunden Betrieb fleißig arbeitet, kann trotzdem morgen arbeitslos sein, weil irgendwo ein Spekulant mit seinem

Geld gespielt hat. Selbst wer sich noch so gesund ernährt, weiß nicht, welche Umweltgifte gerade seine Gesundheit ruinieren. Altersvorsorge, Gesundheitsvorsorge, nichts scheint sicher, die Familie, die früher noch vieles auffing, zerbröckelt, und welchen Informationen kann man überhaupt noch trauen in unserer virtuellen Medienwelt?

Der Boden für unser Gemeinwesen ist schwankend geworden, die Zukunft birgt unvorhersehbare Risiken. Die Medien berichten von gigantischen Naturkatastrophen. Da kommt ein Fest gegen die Angst gerade richtig. Mit Masken und Grusel gegen Geister angehen, von denen man nicht weiß, ob sie einem gut gesonnen sind. Das unbekannte Böse lauthals abschrecken… Halloween, ein Licht in der Finsternis der Moderne, ein Halt in unsicheren Zeiten?

Als nur wieder aufgewärmtes oder kommerziell umgedeutetes Geisterfest kann Halloween wohl niemandem einen Halt geben. Aber wir, die Kirche, könnten ja versuchen, dieses neue Fest einzureihen in andere Feste unseres Glaubens, es sozusagen zu taufen. Das Allerheiligenfest mit seinen roten Grablichtern, St. Martin mit seinen Laternenumzügen, Advent mit dem Lichterkranz und schließlich Weihnachten mit dem Lichterbaum sind auch heidnischen Ursprungs; erst in christlicher Deutung sind es Feste geworden, die gegen unsere Ängste und schweren Gedanken anleuchten und uns als Wegweiser zu Christus eine Hilfe sein können.

Das könnte auch mit Halloween geschehen; denn auf die Fragen, die mit der Angst vor unsichtbaren Geistern und der offenen Grenze hin zum Totenreich gestellt sind, gibt zB der Christushymnus aus Kohlosser 1 entscheidende Antworten:

Die erste ist der Hinweis auf Christus als Ebenbild des unsichtbaren Gottes. Ja, sagt der Hymnus, es gibt eine Welt, die unseren Augen verborgen ist, es gibt ein Sein, das die Dimensionen, die wir erfassen können, übersteigt. Doch diese unsichtbare Welt braucht uns nicht zu ängstigen. Denn sie ist in Jesus Christus für uns sichtbar geworden. Wie eine Ikone lesbar macht, was doch viel weiter greift, so ist Christus die Ikone Gottes. Er macht uns Gott bekannt. Wenn wir auf ihn hören, auf ihn und seinen Weg schauen, wird deutlich, dass der unsichtbare Gott uns mit Liebe begegnet, unser Heil und Leben fördern und niemanden erschrecken will. Das Licht in der Finsternis auf der Grenze zwischen dem Reich des Sichtbaren und des Unsichtbaren heißt Jesus Christus. Es leuchtet heller und mutmachender als solch ein Kürbis.

Und das kommt daher, und das ist die zweite Antwort unseres Textes, dass ihm als Schöpfer von allem, was geschaffen ist, nichts und niemand die Herrschaft streitig machen kann. Das gilt für alles, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten… Jesus Christus, das Licht der Welt, ist zugleich der Herr der Welt. Keine unheimlichen Geister, finstere Gestalten oder Mächte machen da eine Ausnahme. Und dies gilt auch da, wo wir an die Grenze zum Totenreich kommen. Ist Christus doch der Erstgeborene von den Toten, der, der die Macht der Vergänglichkeit in seiner Auferstehung besiegt hat.

Besiegt, nicht für sich selbst, sondern für uns. Denn Christus, das Licht der Welt und Herr über Leben und Tod, er ist „das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde“. Von uns, liebe Schwestern und Brüder, ist da im Hymnus die Rede. Von uns als zur Gemeinde Gehörenden. Zu uns steht das Licht der Welt in lebendiger Verbindung, wie ein Haupt mit den Gliedern seines Leibes; und dann gilt, was für das Haupt des Leibes gilt, logischerweise auch für seine Glieder.

Also: Wir gehören auf die Seite dessen, der alle Mächte dieser Welt, die sichtbaren und die unsichtbaren, seiner Herrschaft unterworfen hat. Wir gehören zu dem, der die Grenze zwischen dem Reich der Toten und der Lebenden durchlässig gemacht hat; aber nicht, um in düsteren Sturmnächten Angst und Schrecken zu verbreiten, sondern um das Licht des Lebens dorthin zu bringen, wo die Finsternis herrscht.

Wir gehören zu ihm, nicht weil wir so gut und edel sind, sondern weil er uns aus Liebe solch heilmachende Gemeinschaft schenkt. Und das Siegel auf solches Geschenk ist die Taufe. Da empfangen wir wie bettelnde Kinder mit leeren Händen die Wohltat unseres erhöhten Herrn. Das Evangelium in seiner lesbaren und hörbaren Gestalt des Bibelwortes und in der greifbaren Gestalt von Taufe und Abendmahl – das sind die „Treats“ , die wir nicht mehr erbetteln oder durch „Tricks“ provozieren müssen, weil sie uns längst aus Gnade geschenkt sind.

Eine Kerze anzünden, als Taufkerze, Altarkerze, als Osterkerze, auf dem Adventskranz oder Weihnachtsbaum – das ist für uns Christen die Erinnerung daran, dass wir ein Fest gegen die Angst, ein Fest gegen unsichtbare böse Mächte nicht brauchen, sondern Feste der Liebe Gottes zu uns und Feste der Geborgenheit in seinem Willen feiern dürfen.

Warum sollten wir dann die Kerze im Halloween-Kürbis nicht auch einreihen in die Reihe der Gott-sei-Dank-Feste und sie zum Zeichen des Lichtes der Welt machen? Ich finde, gerade der Kürbis als Erinnerung an den irrlichternden, unerlösten Jack ist geeignet, auf Christus hinzuweisen, von dem der Kohlosserbrief sagt, dass „Gott durch ihn alles mit sich versöhnte, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz.“

Seit Christus als Licht der Welt offenbar wurde, seit er gekreuzigt und auferstanden ist, braucht niemand mehr unerlöst mit seiner Schuld durch die Welt zu geistern, braucht niemand mehr anderen Angst einzujagen. Durch Christus und das Zu-ihm-gehören kann jeder Frieden finden, Frieden mit Gott und mit seinen Mitmenschen.

Nichts braucht unsere friedlose, von oft nur mühsam kaschierter Lebens-Angst erfüllte Gesellschaft dringender als diese Botschaft! Und darum ist Halloween für uns Kirchen eine missionarische Aufgabe. Eine Aufgabe, wie sie sich einst für Paulus auf dem Areopag stellte. Da stand ein Altar, dem unbekannten Gott geweiht. Paulus sagte damals den Athenern, dass es recht sei, hier einen Gott zu verehren, aber der sei nicht unbekannt, sondern eben dieser sei Jesus Christus.

So können auch wir den Menschen unserer Zeit sagen, dass es schon recht ist, Halloween in aller Fröhlichkeit und Ausgelassenheit zu feiern. Aber nicht im Konsumrausch oder als keltische Geisterbeschwörungsfeier, sondern in dankbarer Freude über das Kommen Jesu Christi, der allem, was uns Angst macht, die Macht genommen hat und uns sein unvergängliches Licht leuchten lässt.

Liebe Schwestern und Brüder, so steht uns in der Tat Ende Oktober ein richtiges Festwochenende bevor: Nach dem Reformationsgottesdienst darf sogar in Gottes Namen auch in den christlichen Gemeinden die Halloween-Party abgehen, ehe wir an Allerheiligen zu den Gräbern unserer Lieben gehen – im festen Glauben daran, dass die uns geschenkte Freiheit eines Christenmenschen nicht auf dem Friedhof endet und dass Christi Reich nicht dort aufhört, wo das Sichtbare sich in das Unsichtbare verwandelt. Amen.

 
 

 

gar / 25.10.2012

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