„Ein menschliches Abenteuer“

Ingeborg von Westerman (75) ist heute mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Die Rheinbacherin betreut seit 30 Jahren ehrenamtlich Strafgefangene in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rheinbach. 1978 zählte sie zu den Gründungsmitgliedern der Gesellschaft für soziale Eingliederung e.V. Rheinbach. Damals saßen vor allem vor allem lebenslängliche und langstrafige Täter in Rheinbach ein. Ein Pfarrer berichtete im Sommer […]

Ingeborg von Westerman (75) ist heute mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Die Rheinbacherin betreut seit 30 Jahren ehrenamtlich Strafgefangene in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rheinbach.

1978 zählte sie zu den Gründungsmitgliedern der Gesellschaft für soziale Eingliederung e.V. Rheinbach. Damals saßen vor allem vor allem lebenslängliche und langstrafige Täter in Rheinbach ein. Ein Pfarrer berichtete im Sommer 1974 im Frauenkreis der Kirchengemeinde von den Problemen der Insassen, die häufig keinerlei Kontakte nach draußen hatten. Er warb für Begegnungen mit diesen Menschen. „Könnten Sie es?“, überlegte Ingeborg von Westerman gemeinsam mit einer Nachbarin. „Die Frage hat mich nicht mehr losgelassen.“ Nach reiflicher Überlegung sagte die Offiziersgattin „ja“. Heiligabend bekam sie Kontakt zu „ihrem“ ersten Gefangenen.

Damals durfte jeder Insasse nur fünfzehn Minuten im Monat Besuch erhalten. „Das war schon hart“. Westerman kämpfte lange um eine Ausweitung der Besuchszeiten und dafür, dass die Besuche der Angehörigen und der Ehrenamtlichen nicht gegeneinander aufgerechnet wurden. Sie setzte sich für Gruppengespräche im Knast ein. Und verhinderte schließlich, dass die Gespräche von den zunächst stets anwesenden Sozialarbeitern für die Beurteilungen der Gefangenen genutzt wurden. 1984 folgte der Landeszusammenschluss der ehrenamtliche Tätigen in den Justizvollzugsanstalten. 1992 nahm der Entschuldungsfonds für Strafgefangene seine Arbeit auf. „Mami ist mal wieder nicht Zuhause, die ist wieder mal im Knast“, hat ihr damals elfjähriger Sohn Anrufern häufiger beschieden.

Die heute 75-Jährige wirkt noch immer kämpferisch, wenn sie über ihre Arbeit berichtet. „Das war ein menschliches Abenteuer. Man ahnte nicht, was auf einen zukommt.“ Dabei war ihr Engagement gewiss nicht selbstverständlich. Innerhalb der Bundeswehr galt ihre Arbeit als „nicht so ganz hoffähig“. Unter den Engagierten waren viele der 68er Generation, die staatlichen Institutionen äußerst kritisch gegenüber standen. Sowie der Beruf ihres Mannes bekannt war, „gehörten wir nicht mehr dazu“.  Als ihr Mann als Beiratsmitglied der JVA Missstände anprangerte, hatte sie in manchen Geschäften Probleme einzukaufen.

„Nächstenliebe erfahren“ sollen die Insassen, die an Gesprächsgruppen teilnehmen. Hier besteht ein großes Bedürfnis nach Kontakt. Die Themen und Inhalte werden nicht nach außen getragen. Das Angebot besteht auch nach der Entlassung. „Das schreckt viele ab“, weiß Westerman. „Aber wir können nicht Vertrauen fordern, wenn wir nicht selbst vertrauen.“ Nur so entstehe eine gleichberechtigte Ebene zwischen Häftling und Besucher – angesichts anderer Bildung, Erziehung und Herkunft. Natürlich sei auch schon mal etwas schief gegangen. Ein Lebenslänglicher blieb nach einem von einem Ehrenamtlichen begleiteten Ausflug einfach weg. Ein anderer griff kurzerhand zur Flasche. „Menschen mit Garantieschein gibt es nicht“, sagt Ingeborg von Westerman dazu.

Die „Gesellschaft für soziale Eingliederung e.V. Rheinbach“ bietet Gespräche an, begleitet Häftlinge bei Ausflügen und unterhält eine Wohnung für Strafentlassene.
Kontakt: Werner Faber, KAB-Ring 33, 53359 Rheinbach, Telefon 0 22 26 / 33 32.

 

 

 
 

 

Uta Garbisch / 15.07.2004

 

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