Ein Kreuz gegen die Angst vor dem Atomkrieg

Im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland jetzt ein Ausstellungsstück: das Hunsrücker Friedenskreuz.

Es ist viereinhalb Meter hoch und eineinhalb Meter breit. 1984 stand es als eines von 96 Kreuzen auf dem Friedensacker bei Bell im Hunsrück und ab 1986 im Jugendhaus am Moselring der Evangelischen Jugend Koblenz. Jetzt hat das Friedenskreuz im Haus der Geschichte in Bonn eine neue Heimat gefunden. Denn das Kreuz ist eins der […]

Es ist viereinhalb Meter hoch und eineinhalb Meter breit. 1984 stand es als eines von 96 Kreuzen auf dem Friedensacker bei Bell im Hunsrück und ab 1986 im Jugendhaus am Moselring der Evangelischen Jugend Koblenz. Jetzt hat das Friedenskreuz im Haus der Geschichte in Bonn eine neue Heimat gefunden.

Denn das Kreuz ist eins der Exponate in der Ausstellung „Angst. Eine deutsche Gefühlslage?“. Die Ausstellung, die ab 10. Oktober gezeigt wird, beschäftigt sich mit kollektiven Ängsten, Ängste, die in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder die deutsche  Gesellschaft bewegten: Zuwanderung, Umweltzerstörung, Überwachung und Atomkrieg.

Die Angst vor einem Atomkrieg auf deutschem Boden beherrschte in den 1980er Jahren die deutsche Öffentlichkeit. Auslöser waren der Nato-Doppelbeschluss und die damit einhergehende Stationierung von US-Atomwaffen in Westdeutschland. Es kam zu vielfältigen Protesten, aus denen sich die Friedensbewegung formierte.

„Es ist Angst in der Luft“

Viele kirchliche Gruppen engagierten sich gegen die Logik der Abschreckung und des Wettrüstens. „Zeigt Eure Angst! Wehrt Euch!“ hieß es auf Flugblättern und in Demonstrationsaufrufen. „Es ist Angst in der Luft“ sangen Teilnehmende des Evangelischen Kirchentages 1981 in Hamburg. Das Zeigen von Angst entsprach dem damaligen Zeitgeist, galt als positive und legitime Reaktion gegen den Kalten Krieg. Atomangst mobilisierte und solidarisierte Hundertausende Deutsche.

Im Hunsrück, wo 96 atomar bewaffnete US-Marschflugkörper auf der Raketenbasis „Pydna“ stationiert wurden, errichteten Demonstranten 1984 auf einem Feld bei Bell 96 Holzkreuze als Mahnmal für den Frieden. Eines dieser Kreuze ist nun im Bonner Haus der Geschichte ausgestellt. „Das Kreuz ist für uns ein ganz herausragendes Objekt, das den Protest gegen die Nachrüstung dokumentiert“, sagt Museumsmitarbeiterin Katrin Grajetzki. „Wir zeigen das Kreuz vor einem Großfoto des Friedensackers, so dass man den Kontext genau sieht.“

Zeichen der Solidarität

Für die Nachwelt erhalten wurde das Friedenskreuz vom evangelischen Jugendhaus am Moselring in Koblenz. Wie viele andere kirchliche Gruppen übernahmen junge Koblenzer Christinnen und Christen damals eine Patenschaft für eines der Beller Kreuze. Im Vorfeld einer Großdemonstration am 11. Oktober 1986 konnten sie es unter dem Motto „Eure Kreuze werden unser Kreuz“ mit in ihre Gemeinde nehmen – als Zeichen der Solidarität mit den Protesten im Hunsrück.

„Das Kreuz hatte für uns im Jugendhaus immer einen hohen ideellen Wert. Wir haben es damals in Friedensgottesdiensten, bei Veranstaltungen der Friedenswoche und bei „Kreuzwegen der Jugend“ eingesetzt und oft seine Geschichte erzählt“, berichtet Christoph Beckmann von der Evangelischen Jugend Koblenz-Mitte. Im März dieses Jahres brachte er es mit einigen Jugendlichen ins Bonner Haus der Geschichte. Dort soll es bleiben.

Heute weniger allgegenwärtig

Die Angst vor einem Atomkrieg ist heute längst nicht mehr so allgegenwärtig wie in den 1980ern. „Für mich rückt sie immer mehr in den Hintergrund“, sagt zum Beispiel der 16-jährige Julian von der evangelischen Jugend Koblenz. Andere Problemfelder sind ins Blickfeld junger Menschen getreten. Seine Altersgenossin Marlene nennt den Klimawandel und die dadurch ausgelösten Umweltkatastrophen „beängstigend“. Auch der Hass, der von Rechtsextremen in Deutschland ausgeht, mache ihr Angst.

„Dass Menschen mutwillig andere Menschen in ihrer Würde verletzen finde ich befremdlich. Das sollte nicht weiter salonfähig werden“, unterstreicht die junge Koblenzerin. Und Julian sagt: „Meine größte Angst ist es, in unserer heutigen Gesellschaft zu versagen und den Leistungsanforderungen nicht zu entsprechen.“

Angst. Eine deutsche Gefühlslage? Ausstellung vom 10. Oktober 2018 bis 19. Mai 2019; Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn; geöffnet dienstags bis freitags, 9 bis 19 Uhr,  samstags, sonntags und feiertags 10 bis 18 Uhr. Eintritt frei

Mehr Informationen erhalten Sie auf der Homepage des Haus der Geschichte.

 

ekir.de / Ulrike Klös, Foto: hdg.de/Martin Magunia / 10.10.2018