Im Schatten des Kolonialismus

Zusammen leben, zusammen feiern und voneinander lernen: Eine Woche lang haben sich 31 Pfarrerinnen und Pfarrer aus den drei lutherischen Kirchen Namibias und der Evangelischen Kirche im Rheinland dieser Herausforderung gestellt. „Versöhnungsarbeit im Schatten des Kolonialismus“ hieß die gemeinsame Fortbildung – 100 Jahre nachdem deutsche Schutztruppen 1904 das Volk der Herero am Waterberg in die […]

Zusammen leben, zusammen feiern und voneinander lernen: Eine Woche lang haben sich 31 Pfarrerinnen und Pfarrer aus den drei lutherischen Kirchen Namibias und der Evangelischen Kirche im Rheinland dieser Herausforderung gestellt.

„Versöhnungsarbeit im Schatten des Kolonialismus“ hieß die gemeinsame Fortbildung – 100 Jahre nachdem deutsche Schutztruppen 1904 das Volk der Herero am Waterberg in die Wüste gedrängt haben, um es dort umkommen zu lassen.

 

„Ich war überrascht in welcher historischen und theologischen Mündigkeit die Herero-Frauen über die Geschichte und das Leid ihrer Familien und ihres Volkes berichtet haben,“ blickt der Rektor des Pastoralkollegs, Pfarrer Heiner Süselbeck, zurück auf eine Begegnung in Okakarara. Dort, in der Nähe des Waterbergs, berichteten zwei Herero-Frauen der namibisch-deutschen Studiengruppe in der örtlichen Kirche. Am Waterberg hatten die Herero am 11. August 1904 die entscheidende Schlacht gegen die deutschen Truppen unter General Lothar von Trotha verloren. Zweidrittel des Herero-Volkes wurde durch die deutschen Truppen in diesem Krieg ausgelöscht oder verdurstete in der Wüste.

 

„Ich wünsche euch, dass ihr euer Land wieder bekommt“, sprach Heiner Süselbeck seine Gefühle aus, ergriffen vom Bericht der Herero-Frauen. Bis heute bereitet die Landfrage in Namibia große Probleme. Über die Hälfte des fruchtbaren Bodens ist in den Händen von rund 4000 weißen Farmern. „Die 100.000 Hektar rund um den Waterberg gehören einer einzigen deutschen Familie“, betont Lorenst Kuzatjike, Pastor in Okakarara. Die Herero, die früher von diesem Land lebten, könnten sich hingegen oft nicht einmal mehr den Schulbesuch ihrer Kinder leisten.

Vor dem Besuch am Waterberg hatten die namibischen und deutschen Pfarrerinnen und Pfarrer außerhalb Windhoecks getagt. Fachlich begleitet wurde die Begegnung vom Dortmunder Pfarrer Hanns Lessing, der acht Jahre in Namibia lebte und derzeit an einer Veröffentlichung zur deutsch-namibischen Missions- und Kolonial-Geschichte arbeitet. „Es ist bei der Tagungn gelungen, die Vielstimmigkeit zu erhalten,“ ist Hanns Lessing beeindruckt. Die gemeinsame Konferenz habe an der Tatsache dieser Vielstimmigkeit nichts geändert. Die Gruppe habe die Erfahrung gemacht, dass eine Antwort auf die gemeinsame Geschichte nie genug sein kann. „Ich bin in der Tat der Meinung, dass das praktische Versöhnung war. Und nur so kann ein Zukunftsentwurf erreicht werden.“ Und Heiner Süselbeck ergänzt: „Hier ging es um das praktische Verstehen von Versöhnung im konkreten politischen und historischen Kontext. Das ist mehr als theoretisches Arbeiten über Versöhnung.“

 
 

 

Sven Waske /

 

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